Never Ending Story

Luis Liendo Espinoza über die Linke, BDS und Israel

»Scooter Braun, the manager of teen singer Justin Bieber, said that he had received plenty of death threats from different groups over him coming to Israel [in 2011]. But most of the death threats were that ‚the Jew manager will die‘.«

BDS – Boycott, Divestment and Sanctions ist eine internationale Kampagne, welche nach eigenen Angaben »Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit« für Palästinenser einfordert und durch Boykott und Sanktionen Israel dazu bringen will, das »internationale Recht« zu befolgen. Das moderne Design der Kampagne, der Appell an Menschenrechte und Freiheit ist Produkt einer jahrelangen und gezielten Strategie, Antizionismus salonfähig zu machen und linke Bündnispartner im Kampf gegen den Judenstaat einzuspannen.

An linke Antisemiten, welche friedliche Völker gegen US-Imperialismus und Kosmopolitismus verteidigen wollen, hat es ohnehin nie gemangelt und es ist daher kein Wunder, dass weltweit BDS mit Unterstützung aus der Zivilgesellschaft rechnen kann. Während BDS in Österreich und Deutschland ein Schattendasein fristet und abseits von Polit-Sekten und Hamas-Anhängern wenig Zuspruch findet, können europaweit BDS-Gruppen auch mit Unterstützung von etablierten Organisationen rechnen. Anfang Mai dieses Jahres war es die Norwegische Föderation der Gewerkschaften, der größte heimische Gewerkschaftsbund, welcher bedenkenlos in die antizionistische Propaganda einstimmte und zu einem umfassenden »ökonomischen, kulturellen und akademischen Boykott« Israels aufrief. Bands, Sänger, Musiker, welche in Israel auftreten, werden mittels Kampagnen und social-media unter Druck gesetzt. Die Namen der Künstler und Veranstaltungen, welche von der BDS-Bewegung boykottiert und bedroht wurden, sind Legion. Zu den bekanntesten zählen Madonna, Kiss, Lady Gaga, Pet Shop Boys, Moby oder das Titans of Metal-Festival in Israel.

Das World Social Forum ist das Vorzeigeprojekt der globalen linken Bewegung, ein Teffen von Organisationen und Initiativen, welche auf unzähligen Podien verschiedenste Themen besprechen. 2016 nahmen in Montreal/Kanada rund 5000 Organisationen an dem Forum teil. Die Parteinahme für BDS und antizionistische Propaganda waren Bestandteil von mehreren Veranstaltungen am Forum. Auf der Homepage des Forums veröffentlichte man auch bedenkenlos eine antisemitische Karikatur, welche im Stürmerstil den Zionismus als Juden darstellte, der verantwortlich für US-Imperialismus und Wahabismus sei. Wer nicht öffentlich die antizionistische Hetze gutheißt, gilt als Verräter und Zionist. So wurde zuletzt die linke Aktivistin und Autorin Jutta Ditfurth - selbst eine Kritikerin Netanjahus – aus einer Konferenz der linken katalanischen Candidatura d’Unitat Popular in Barcelona ausgeladen. In einer Email wurde die Entscheidung mit ihrem Engagement gegen BDS begründet, die Candidatura würde »BDS nachdrücklich unterstützen, da diese sich der kolonialistischen und rassistischen Politik« Israels entgegenstellen würde. Der Israel-Boykott ist einmalig, weil es keinen Staat auf der Erde gibt, gegen den ein ähnlich umfassender Boykott verlangt wird.

Eine besonders widerliche Variante des Israel-Boykotts wiederholt sich alljährlich in Italien ausgerechnet am 25. April, dem italienischen Gedenktag an die Befreiung Italiens vom Nationalsozialimus. 2014 kam es zu häßlichen Szenen, als Palästina-Unterstützer Angehörige und Mitglieder der Jüdischen Brigade während eines Aufmarsches antifaschistischer Organisationen lautstark anpöbelten und tätlich angriffen. Die Jüdische Brigade war eine Einheit von jüdischen Freiwilligen und Soldaten, welche im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliierten gegen die Nazis kämpften. Juden innerhalb und außerhalb des Mandatsgebietes hatten seit Jahren dazu gedrängt, eine eigenständige jüdische Einheit zu formieren, doch erst gegen Ende des Krieges konnten sich die Alliierten dazu durchringen, dem Wunsch der Juden nachzukommen. Die Jüdische Brigade war an den letzten Offensiven im Norden Italiens beteiligt und wurde später Teil der alliierten Besatzungsmacht. Teile der Brigade nahmen später an inoffiziellen Operationen zur Verfolgung und Tötung von Nazikriegsverbrechern und der Fluchthilfe für Überlebende der Shoa teil. In Selvino betreuten Mitglieder der Brigade ein Heim für hunderte jüdische Kinder aus den unzähligen Ghettos und KZs des Dritten Reiches.

All dies interessiert palästinensische und italienische Anti-Zionisten, welche auf die leise Unterstützung vieler linker Gruppen in Italien setzen können, herzlich wenig. Auch dieses Jahr wurden die Unterstützer der Jüdischen Brigade wieder von einem Palästina- und FSA-Fahnen schwenkenden Mob mit »Faschisten«-Rufen, unfreundlichen Handzeichen und antisemitischen Plakaten empfangen. Mitglieder der City Angels - eine Art überparteiliche und uniformierte Vereinigung freiwilliger Sozialarbeiter – bildeten dieses Jahr einen Kordon, um eine weitere Eskalation zwischen Anti-Zionisten und Unterstüzern der Brigade zu verhindern. In Rom hatten jüdische Organisationen und die Nationale Vereinigung der italienischen Konzentrationslagerhäftlinge (ANED) den Aufmarsch boykottiert, weil sich die Nationale Vereinigung der italienischen Partisanen (ANPI) weiterhin weigert, konkrete Schritte gegen die antizionistische Hetze zu setzen.

Antizionismus ist die gegenwärtig vorrherrschende Form des Antisemitismus. Seine links-humanistische Variante zielt darauf, Israel im Namen von Menschenrechte und Freiheit sytematisch zu deligitimieren, während der arabisch/islamische Antizionismus mehr oder weniger offen die Ermordung möglichst vieler Juden und die Zerstörung des Judenstaates fordert. Dementsprechend lauten die zentralen Forderungen von BDS »Ende der Okkupation« und »Rückkehrrecht der Flüchtlinge«. Die erste Forderung beinhaltet den Rückzug aus dem Westjordanland, Gaza, Ost-Jerusalem und den Golan-Höhlen. Während Extremisten in Gaza und der Westbank nun ohne Hindernisse Waffen und militärische Ausrüstung importieren dürften, wäre der israelische Rumpfstaat militärisch kaum mehr zu verteidigen. Ohne die natürlichen Barrieren des Jordantales und der Gebirgszüge in Judäa und Samaria wären die israelischen Ballungszentren in einem Streifen von gerade einmal 10 - 15 km Breite versammelt und direkt von der Grenze angreifbar. Das wie ein Mantra wiederholte Rückkehrrecht umfasst nach der Definition von BDS nicht allein alle palästinensischen Flüchtlinge von 1948 – 1967, sondern auch alle deren Nachkommen, zusammen über 5 Millionen Menschen. Perspektivisch könnten Juden im Rumpfstaat wieder eine Minderheit werden. Die in der Unabhängigkeitserklärung festgelegte Aufgabe des Staates, Juden eine »Heimstätte« zu bieten, in der Juden ihre »Geschichte unter eigener Hohheit« selbst bestimmen sollten, ein Judenstaat, der sich dazu verpflichtet, Opfer von Antisemitismus eine Zufluchtsstätte zu bieten, wäre damit Geschichte.

Müßig zu erklären, dass Israel keinerlei Anstalten machen wird, sich auf diese absurden Forderungen einzulassen. Was von linken Antizionisten als Menschenrechtsaktivismus verkauft wird, ist eine derbe Mischung aus Projektion, Halbwahrheiten, Geschichtsfälschung und Antisemitismus. Daher kann man keinen Satz bilden, ohne von Rassismus, Okkupation und Kolonialismus zu sprechen, während gleichzeitig das Schicksal von knapp 1 Million aus dem arabisch/islamischen Raum mit Gewalt vertriebenen Juden mit keinem Wort erwähnt wird. Joseph Samuel, ein Jude aus Bagdad erzählt in einem Videointerview für das Mizrahi-Project: »Wir wurden dazu erzogen, keinen Moslem herauszufordern. Wenn jemand ein schlechtes Wort zu Dir sagt, fordere ihn nicht heraus, ansonsten wird alles schlimmer für die Juden.« Hunderttausende Juden aus dem Nahen Osten flohen zwischen 1940 und 1970 nach Terror, Mord, Pogromen und systematischer Diskriminierung nach Israel, sie und ihre Nachkommen stellen nach Schätzungen 60% der israelischen Bevölkerung. Es gibt 22 arabische Staaten, doch dass Juden einen eigenen Staat gründen, gilt als historisches Verbrechen.

Den Zusammenhang zwischen Antisemitimus und Antizionismus zu begreifen ist keine Meisterleistung, die antisemitischen Schmähungen von BDS und Co sind bis ins Detail dokumentiert. Der Punkt ist, dass die überwiegende Mehrheit der linken Antifaschisten sich schlicht weigert, diese neue Form des Antisemitismus als ebensolche anzuerkennen.

Die Folgen dieser Politik konnte man im Sommer 2014 erblicken. Angefeuert durch linke An   tizionisten, Muslimbruderschaft und AKP strömten europaweit Tausende militante Antizionisten auf die Strassen, um gegen Israel zu protestieren. In Frankreich griff der antisemitische Mob jüdische Geschäfte und Synagogen an. Während die antizionistischen Menschenrechtsaktivisten weltweit gegen Israel mobilisierten, griff ISIS die Eziden in Sinjar an, innerhalb weniger Tage wurden Tausende Eziden brutal ermordet. Doch die ultimative Gefahr für Frieden und Freiheit im Nahen Osten erblickt man im Zionismus, der jüdischen Emanzipations- und Befreiungsbewegung.