What could possibly go wrong?

Über die Risiken und Nebenwirkungen von Geoengineering informiert Svenna Triebler.

»September was, in my professional opinion as a climate scientist, absolutely gobsmackingly bananas.« (»Der September war, nach meiner professionellen Einschätzung als Klimaforscher, komplett irre.«) So brachte der US-Klimaforscher Zeke Hausfather Anfang Oktober die aktuellen Daten zum Zustand des Planeten auf den Punkt. Sein deutscher Kollege Hans Joachim Schellnhuber wiederum versuchte es mit einem Vergleich: »Stellen Sie sich vor, Sie steuern ein Flugzeug über den Atlantik und die Armaturen zeigen plötzlich gewaltige Ausschläge. Sie würden in Panik geraten.«

Wenn selbst diejenigen weiche Knie bekommen, die an den Umgang mit alarmierenden Daten und Katastrophenszenarien gewöhnt sind, sollte das eigentlich der letzte Weckruf für die Menschheit sein, endlich Ernst zu machen mit der CO2-Neutralität, und zwar nicht erst bis 2050, sondern am besten vorgestern. 

Stattdessen stehen alle energiepolitischen Zeichen auf »weiter so« (wie soll man das anders interpretieren, wenn die diesjährige Weltklimakonferenz ausgerechnet im Ölstaat Dubai stattfindet und von niemand Geringerem geleitet wird als Sultan Ahmed Al Jaber, der gleich zwei Jobs als Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate sowie als Chef des staatlichen Erdölkonzerns ADNOC innehat?), und gesellschaftlich herrscht eine Rette-sich-wer-kann-Mentalität vor, die zunehmend sowohl das individuelle als auch das politische Handeln bestimmt.1

 

Ob »Schafft zwei, drei, viele Pinatubos pro Jahr« eine gute Idee ist? Ausbruch des Vulkans 1991. (Bild: Gemeinfrei)

 

Doch auch, wer es in den klimatisierten, hitze- und flutsicheren Luxusbunker schafft, wird irgendwann feststellen, dass das Wasser für den Swimmingpool knapp wird und auch sonstige Annehmlichkeiten immer schwerer zu bekommen sind.2 Spätestens dann wird man sich erinnern, dass ja noch diverse Ideen in der Schublade liegen, wie sich die Erderwärmung durch großtechnische Eingriffe im globalen Maßstab stoppen oder sogar rückgängig machen ließe.

Noch handelt es sich bei den meisten unter dem Namen Geoengineering zusammengefassten Verfahren um reine Gedankenspiele, doch je drängender der Klimanotstand wird, umso mehr dürften die Akzeptanz für drastische Schritte steigen und die Skrupel bezüglich der Risiken schwinden. Man sollte sich also schon jetzt mit den Verfahren vertraut machen, mit denen Regierungen und technikbesoffene Geldpotentaten vom Schlage eines Elon Musk künftig die Menschheit beglücken könnten.

Saufen ohne Kater?

Grob unterscheidet man zwischen Maßnahmen, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen sollen, und solchen, mit denen die Sonneneinstrahlung abgeschwächt werden soll. 

Ersteres umfasst zum einen diverse technische Prozesse unter dem Kürzel CCS (Carbon Capture and Storage, deutsch: Kohlenstoff-Abscheidung und -Speicherung), mit denen CO2 entweder direkt aus Industrieabgasen oder aber aus der Atmosphäre entfernt und unterirdisch eingelagert werden soll. Könnte man also nicht einfach sämtliche Kohle- und Gaskraftwerke, Hochöfen und sonstige CO2-intensiven Industrieanlagen mit entsprechenden Systemen ausstatten und ansonsten weitermachen wie bisher? 

Das klingt wie das Versprechen von Saufen ohne Kater oder Sahnetorte ohne Zunehmen und ist auch ähnlich illusorisch. Da ist zum einen schon mal das Problem mit der Einlagerung: Im Gespräch sind dafür salzwasserführende Gesteinsschichten, erschöpfte Erdöl- und Erdgaslager-stätten oder auch eine Einleitung ins Meer.3 Das eingelagerte CO2 bleibt bei den meisten Verfahren allerdings in molekularer Form erhalten und kann wieder freiwerden - entweder langfristig, was die Emissionen schlicht in die Zukunft verschieben würde, oder auch schlagartig, mit tödlichen Folgen für alle, die in eine solche Kohlendioxidblase geraten.

Am unproblematischsten scheint die Option, CO2 in Wasser gelöst in den Untergrund zu verpressen, wo es mit dem vorhandenen Gestein zu festen Mineralien reagiert und so tatsächlich langfristig dem globalen Stoffkreislauf entzogen wird. Allerdings braucht es dafür geeignetes Grundgestein, was die Standortauswahl schmälert; zudem zeigte sich an einer Pilotanlage in Island, dass die nötigen Tiefenbohrungen Erdbeben auslösen können. Dass die Technik jemals in einem Maßstab angewendet werden könnte, in dem sie nennenswert zur Treibhausgasminderung beitragen würde, ist unwahrscheinlich.

Sicherlich könnte CCS, mit welcher Methode auch immer, für notorisch klimaschädliche und schwer auf CO2-neutrale Verfahren umzurüstende Prozesse wie die Zementherstellung eine Option sein, um die Emissionen zumindest mittelfristig zu reduzieren, bis entweder bessere Produktionsmethoden erfunden sind oder die Baubranche auf (ebenfalls noch zu findende) klimaneutrale Materialien umschwenkt. Keine gute Idee ist dagegen der Einsatz in fossilen Kraftwerken; nicht nur wegen der genannten Probleme, sondern auch, weil es ein Anreiz wäre, die Energiewende weiter zu verzögern - also jene Sorte von Technologieoffenheit, die nichts anderes ist als das Festhalten am Status quo.

Bio, aber nicht öko

Man kann allerdings auch der Natur bei ihrem seit drei Milliarden Jahren erprobten Verfahren zur Kohlenstoffspeicherung auf die Sprünge helfen: der Photosynthese. An Land geschieht dies bereits in Form von Aufforstungsprogrammen, die teilweise in den modernen Ablasshandel mit freiwilligen CO2-Zertifikaten einbezogen werden, etwa von Fluggesellschaften (die die Zertifikate nicht einmal selbst bezahlen, sondern zu einem Aufpreis »grüne« Tickets anbieten, mit denen sich die Kundschaft ein gutes Gewissen kauft).

Man könnte auch schlicht von CO2-Bilanzfälschung sprechen: Der Effekt entsprechender Projekte wird nämlich systematisch schöngerechnet (sofern diese nicht ohnehin nur auf dem Papier existieren und das Geld in dunklen Kanälen versickert). So braucht es etliche Jahrzehnte, bis ein heute gepflanzter Baum nennenswerte Mengen an CO2 aus der Luft holt, vorausgesetzt, er ist bis dahin nicht vertrocknet oder wird von Stürmen gefällt. Und dann muss für eine negative CO2-Bilanz der Kohlenstoff auch gebunden bleiben, sprich, das Holz etwa zu Möbeln oder Baustoffen verarbeitet werden, statt einfach im Wald zu vermodern oder in Form von Heizpellets verbrannt zu werden. 

Sicherlich ist Bäume pflanzen besser, als keine zu pflanzen. Wenn allerdings gleichzeitig weitaus größere Waldflächen für den Anbau von Viehfutter gerodet werden oder dürrebedingten Bränden zum Opfer fallen, wirken Aufforstungsprogramme zwecks Klimaschutz wie der Versuch, eine Lawine mit dem Schneeschieber aufzuhalten.

Mehr Potenzial zur Kohlenstoffspeicherung als an Land findet sich aber ohnehin in den Meeren: Fünfzig bis fünfundachtzig Prozent des Sauerstoffs in der Atmosphäre werden Schätzungen zufolge vom Phytoplankton in den Ozeanen produziert, also Algen und anderen photosynthetischen Mikroorganismen, die im Gegenzug CO2 zu Kohlenhydraten und anderen organischen Substanzen verstoffwechseln. Die Idee liegt nahe, diesen Prozess anzukurbeln, indem man die Meere mit Makro- oder Mikronährstoffen - im Gespräch sind etwa Harnstoff oder Eisen - düngt und so das Wachstum von Phytoplankton anregt, das nach dem Absterben zum Meeresboden sinken soll. 

Ungeplant geschieht dies bereits: Ein Beispiel, an dem sich auch gleich die Risiken und Nebenwirkungen solcher Methoden studieren lassen, ist die Ostsee, in der große Mengen Dünger aus der Landwirtschaft der Anrainerstaaten landen, was die Algen kräftig wuchern lässt. Klingt zwar erst mal toll für die CO2-Bilanz, führt aber dazu, dass abbauende Bakterien, zumindest die auf Sauerstoff angewiesenen, nicht mit dem Nachschub an Nahrung mithalten können. Am Meeresgrund entstehen dadurch sauerstoffarme oder -freie (anoxische) Bereiche: die »toten Zonen«. 
In der Erdgeschichte fand mehrfach ein solches »Umkippen« der Meere im globalen Maßstab statt, wobei der Sauerstoffmangel nicht nur den Meeresboden, sondern auch höhere Wasserschichten betraf. Davon profitierten nicht zuletzt anaerobe Schwefelbakterien, deren Stoffwechselprodukt Schwefelwasserstoff noch unwirtlichere Bedingungen für alle höheren Organismen schuf. Etliche Massenaussterben werden auf solche Ereignisse zurückgeführt.

Will man also keine toten, nach faulen Eiern stinkende Meere, sollte man bei der gezielten Düngung sehr vorsichtig vorgehen, etwa indem man besonders nährstoffarme Gebiete auswählt, in denen außerdem eine gute Durchmischung des Wassers stattfindet. Aber auch dann hätte man keine Patentlösung für die Klimakrise, denn nur etwa ein Prozent der organischen Materie gelangt auf diese Weise ins Sediment, der Rest wird zersetzt und gelangt erneut in die globalen Stoffkreisläufe. 

Zwar könnte letztlich netto mehr Kohlenstoff gespeichert werden, als durch Abbauprozesse wieder frei wird, insbesondere wenn man das Phytoplankton zumindest teilweise abschöpft und irgendwie so lagert, dass der Kohlenstoff gebunden bleibt. Doch auch dann müsste zuallererst einmal der kapitalismusbedingte Nachschub gestoppt werden, um den CO2-Gehalt der Atmosphäre signifikant zu senken - und viel Geduld sollte man auch mitbringen: Die CO2-Konzentration auf diesem Weg wieder auf vorindustrielle Werte zu bringen, wäre ein Jahrtausendprojekt.

Sci-Fi oder James-Bond-Film?

Während das - eine vernunftbegabte und -willige Menschheit vorausgesetzt - zumindest noch irgendwie machbar scheint, lassen die Ideen zur Verringerung der Sonneneinstrahlung eher an dystopische Science-Fiction denken. 

So gibt es den Vorschlag, der Erde durch die Anreicherung von Aerosolen in der Atmosphäre quasi einen Sonnenschirm zu verpassen. Dass das prinzipiell funktioniert, zeigte der Ausbruch des Vulkans Pinatubo im Jahr 1991. Dadurch gelangten große Mengen an Schwefelpartikeln bis in die Stratosphäre, wo sie das Sonnenlicht reflektierten und damit im Folgejahr eine globale Abkühlung von einem halben Grad verursachten. Man bräuchte allerdings das Äquivalent von fünf bis sieben Pinatubos pro Jahr, um die Erderwärmung zu kompensieren, hat eine Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für Meteorologie ausgerechnet.

Da das Erdklima komplizierter ist als eine Heizung, die man einfach hoch- oder runterregelt, wäre zudem mit allerhand unerwünschten und schwer vorhersehbaren Folgen zu rechnen: Eine veränderte Zirkulation der Atmosphäre hätte Auswirkungen auf Wettermuster - der Pinatubo-Ausbruch hatte z. B. eine Abschwächung des Monsuns zur Folge -, und wie sich die Abdunklung langfristig auf das Pflanzenwachstum auswirken würde, ist unklar. Ach ja, außerdem beschleunigen Sulfate den Ozonabbau. Dass der Himmel nicht mehr blau, sondern milchig trüb wäre, wäre da schon fast nebensächlich.

Im Vergleich zum Herummurksen mit der Geochemie wirkt der Vorschlag, das Sonnenlicht stattdessen mit großen Spiegeln im Weltraum zurückzuwerfen, geradezu umweltbewusst. Auch hier stellt sich jedoch die Frage, welchen Einfluss die abgeschwächte Einstrahlung auf die unzähligen Regelkreise des Weltklimas hätte - von der technischen Realisierbarkeit ganz zu schweigen.

Kurzum, sowohl Aerosolkühlung als auch Weltraumspiegel wären wohl eher eine Verschlimmbesserung und klingen ein wenig nach einem James-Bond-Film, in dem der sich der Superschurke mit seinen größenwahnsinnigen Plänen für einen Philanthropen hält. Womit wir wieder bei Elon Musk wären.

[1] Die Zusammenhänge von Klimakrise und weltweitem Rechtsruck zu erörtern, wäre einen eigenen Artikel wert.
[2] Realistischerweise müssten die Kurven zum prognostizierten CO2-Anstieg in den kommenden Jahrzehnten ab einem gewissen Punkt einen drastischen Knick nach unten aufweisen, weil es nicht mehr lange hin sein kann, bis der Kapitalismus an seinem eigenen Wachstum erstickt. Ob die gegenwärtige Rezession bereits ein Vorbote ist, mögen die Leser*innen selbst erörtern.
[3] Die ökologischen Probleme aufzuzählen, die Letzteres noch zusätzlich mit sich brächte, würden den Rahmen sprengen.