...das kann jeder...

Kristina Hofer über KAPU, Geschlecht und Arbeitsteilung.

Der folgende Text wurde im Jahr 2007 im Zuge eines von der damaligen Geschäftsführung des Linzer Kulturvereins KAPU initiierten Publikationsprojektes verfasst, das Geschichte und Strukturen des Hauses in möglichst vielen Facetten beleuchten sollte. Auf einer für alle Autor/innen offen geführten Mailingliste wurde lange und kontrovers diskutiert, ob und warum es notwendig sei, auch Geschlechterverhältnisse in diesem Rahmen zu thematiseren. Das Thema wurde durchgeboxt, der »Gender-Artikel« verfasst, das Buch schließlich nie realisiert.

Die verspätete Veröffentlichung des (stark gekürzten) Texts soll kein isoliertes Zustandsbild über die vergangene oder aktuelle Verfasstheit der Geschlechterverhältnisse in der KAPU zeichnen, sondern ein Schlaglicht auf eine Geschichte der ewigen Wiederholung werfen: Geschlecht und Arbeitsteilung wurden über einen langen Zeitraum in vielen verschiedenen Zusammenhängen diskutiert, und sollten vielleicht wieder mit mehr Nachdruck eingefordert werden.


Der KAPU exorbitanten Sexismus und geschlechtsspezifische Gemeinheit vorzuwerfen, wäre bestimmt ungerechtfertigt. Dass an dieser Stelle den-noch ein Text steht, der die Interdependenzen von Geschlecht und Arbeitsteilung im Verein kritisch beleuchtet, ist als Teil einer Notwendigkeit umfassender Größenordnung zu betrachten. Entgegen der immer wieder auch und vor allem in subkulturellen Zusammenhängen geäußerten Ansicht, die Gegenwart würde ganz generell für Frauen jedweder Denomination keine Benachteiligungen bergen, die sich auf ihr Geschlecht zurückführen lassen könnten, finden sich tatsächlich in vielen Bereichen (auch in der Subkultur) Strukturen, die dem Anspruch der Ausgeglichenheit nicht gerecht werden können. Arbeitsteilung in Kulturinitiativen – nicht nur in der KAPU, wohlgemerkt – ist ein solcher Bereich.

Schreiben über Geschlecht ist jedoch immer ein riskantes Unterfangen. Ein ewiges Unentschieden lastet auf scheinbar jeder Aussage: alte oder neue oder wie kommt es endlich mal zu keinen Ausschlußmechanismen? Oder: wie kann ich ernsthaft für »Frau« und »Mann« als gesellschaftliche und politische Kategorien argumentieren, ohne dabei irgendwelche Essentialismen zu zementieren? In einem relativ knappen Text wie diesem läuft die Autorin Gefahr, sich hoffnungslos in innerdisziplinäre Wider-sprüchen zu verstricken. Insofern stellt dieser Text ein Beispiel , wie es immer noch gleichzeitig unmöglich und unumgänglich sein kann, über Geschlechterverhältnisse in einem Raum wie der KAPU zu schreiben.

Wie es Didi Neidhart im Interview1 frei nach Georg Seesslen ausdrückte: Wird die Debatte um Geschlechtlichkeit zu kompliziert, will sie keiner mehr. Allerdings. Wenn auch die Diskussion um Geschlechter und Verhältnis in und um die KAPU nie unkompliziert war, kam sie meist in einigermaßen traditioneller und reduzierter Form daher: Wir redeten immerhin noch nicht einmal queer oder dekonstrukt. Ich bewege mich insofern in diesem Essay ebenfalls im Fahrwasser von klassischem Weissen second wave high feminism – Männer-Frauen-Putztuch-E-Gitarre; was in sich selbst bereits eine gewisse Aussagekraft über den Stand der Dinge im betreffenden Raum bergen mag.

das kann jeder...

....hieß eine 1996 auf sacro egoismo releaste 7” des Linzer Punk-Aushängeschilds Strahler 80. Strahler kamen aus der KAPU. Mehr als das: Zumindest was die späteren Neunziger betrifft, konnte Strahler 80 durchaus als eine wichtige Vertretungsinstanz der KAPU nach »außen« verstanden werden. Ich lese die Band hier als Illustration einer Tendenz, und erlaube mir eine grobe Verallgemeinerung – die KAPU war/ ist immer schwer identifiziert darüber, was an Musik darin stattfand; auch über die Musik, die von KAPU-Menschen gemacht wurde.

Was hat das alles aber mit Arbeit und Geschlecht zu tun?

Wenn die Produktion von Musik2 einen Teil der vom gesamten Zusammenhang KAPU geleisteten Arbeit darstellt, dann handelt es sich dabei um einen dankbaren Teil: sehr sichtbar, sehr geschätzt, oft mit einem hohen Maß an sehr direkter Entschädigung3 verbunden. Andere Tätigkeiten, die in einem Kulturverein einfach anstehen – wie zum Beispiel kochen, wischen, Bettwäsche waschen – sind meist weniger sichtbar, und weniger geeignete Trittbretter zur Repräsentation des Hauses nach außen. Für sich genommen sind beide Tätigkeitsbereiche ohne Zweifel gleich notwendig für das Funktionieren des Betriebs. Oftmals erfordern Aufgaben beider Bereiche auch ein ähnliches Maß an Herzblut und dedication: Stiegenhauswischen und Proben können gleich anstrengend sein. Dennoch scheinen Stiegenhauswischen und Musik spielen in den Augen der KAPUbesucher/innen nicht unbedingt denselben Stellenwert einzunehmen. Insofern macht eine anscheinend banale Erbsenzählerei – wieviele Mädels spielen in Bands, und wieviele Jungs? Wieviele Jungs kochen, und wieviele Mädels? - schon Sinn. Fragen der Arbeitsteilung drehen sich nicht nur darum, was halt getan werden muss und wer wieviel Spaß an welcher Tätigkeit hat, sondern auch darum, welcher Verwertungslogik die einzelnen Tätigkeitsbereiche untergeordnet werden. Um mit Herta Gurtner zu sprechen: »Wenn im Kulturbereich gute Jobs vergeben werden, wird sicher nicht danach gefragt, wer denn die Bettwäsche so gut gewaschen hat – sondern wer die Bands gebookt hat und wer sichtbar nach außen ist.«

Betrachtet man die Geschichte des Hauses und des Kollektivs, fällt ins Auge, dass einer beträchtlichen Anzahl an Männer-only-bands kaum eine Handvoll Musikerinnen gegenüber stehen. Akkurate Aussagen über eine eventuell ähnlich geschlechtsspezifische Verteilung von diversen Putz-, Koch- und Kassajobs im Laufe der Geschichte des Vereins sind hingegen schon schwieriger zu treffen, was durchaus mit der weniger durchgängigen Dokumentierung dieser Aktivitäten in Zusammenhang gebracht werden könnte – ein KAPU-Bandpool ist leicht aufzumachen, nicht aber ein KAPU-Bandbetreuungspool. Das Fehlen einer niedergeschriebenen Koch- und Putzgeschichte übersetzt sich natürlich nicht in einen direkten Indikator dafür, dass die KAPU ein sexistisch-rückständiger Verein wäre. Der Verein definiert sich nicht über Instandhaltungsarbeiten, sondern übers Musikmachen. Die Einführung einer Putzdokumentation halte deswegen auch ich für unsinnig. Nichtsdestotrotz: Wenn Musik machen in der KAPU wichtiger ist als andere Arbeiten, was ist dann ausgeglichen an der Arbeitsteilung – bei der eindeutigen Überzahl an männlichen Machern? »das kann jeder... aber nicht alle tun es!«, betitelt Huckey Renner treffsicher in seinem Review der Strahler Platte im hillinger 3/96. Womit wir uns mitten in der Problematik befänden: Wer kann was, und wer tut es?

...aber nicht alle tun es

Auf Anläufe von außen, die Arbeitsteilung im Haus aus der Geschlechterperspektive zu diskutieren, reagierten verschiedene AktivistInnen der KAPU immer wieder mit Unwillen. Besonders scharfe Kritik kam in diesen Fällen oft von KAPU-Frauen, die sich verständlicherweise nicht automatisch ins Opfereck abdrängen lassen wollten. Ein guter Teil der Betriebsgruppe schien Arbeitsteilung weniger als ein Produkt von Strukturen zu verstehen, als eine Frage von Persönlichkeit: Wichtige Arbeit machen könne bitte jede, die wolle; nur: Es wollen halt so wenige.

Hand in Hand mit der Begründung via Willen ging oft eine Begründung über individuelles Talent, vor allem in Bezug auf die Königsdisziplin Musikproduktion. Im Interview erklärten nicht weniger als drei ehemalige KAPU-Mitarbeiterinnen den Männerüberhang in der Musikarbeit damit, dass sie selbst eben »leider völlig unmusikalisch« seien, und deswegen in diesem Feld nicht zur Veränderung beitragen könnten. Polemisch gefragt: Hieße das dann, dass Männer nicht putzen mussten, weil sie musikalischer waren? Und überhaupt: Gings bei Punk vorwiegend um Musikalität und Talent? Wenn dem so war: Warum kann das dann eigentlich jede/r?

können und wollen

Auffallend ist, dass in der Diskussion um Arbeitsteilung und Geschlechterverhältnisse viele von MitarbeiterInnen der KAPU formulierte Argumente nach einer Art Kessellogik funktionierten: Bei uns passt eh alles, weil wir ein subkulturell orientierter Verein und darüber hinaus alle befreundet sind; gleichzeitig ist das, was nicht passt, dem gröberen gesellschaftlichen Rahmen zuzuordnen, weil woanders geht`s schließlich auch nicht anders zu – in jedem Fall ist es nicht die KAPU, die für irgendwelche Unausgeglichenheiten zur Verantwortung zu ziehen wäre.

Das Komplizierte im Umgang mit einer solchen Argumentation liegt darin, dass sie eben genau jene Unentschiedenheiten widerspiegelt, von der gesellschaftliche Verhältnisse in der Wirklichkeit nun mal gekennzeichnet sind. Schließlich stimmt es ja: Die KAPU ist ein subkulturell verankerter Verein, und sie ist gleichzeitig auch gesamtgesellschaftlich wirksamen Mechanismen und Diskursen unterworfen. Sich aus diesem scheinbaren Paradoxon allerdings ein sicheres Schiff schnitzen zu wollen, stellt bei weitem nicht die einzige Möglichkeit dar, mit unentschiedenen Realitäten – und realen Ungleichheiten – umzugehen. Unentschiedenheit stiftet nicht einzig Verwirrung, sondern eröffnet auch die Gelegenheit, innerhalb dieser Verwirrung von Herrschaftsstruktur und subkulturellem Impetus den eigenen Aktionsradius als dynamisch zu begreifen, und immer wieder aufs Neue auszuloten.

kann das was?

Insofern kann dieser Text keine Patentrezepte verschreiben, sondern nur versuchen, diskursive Zwischenräume aufzumachen – Räume, die nicht von vorne herein unter der Last einer entweder-oder Konfrontation zwischen totaler Wurschtigkeit und dem Imperativ des Nudelsalats4 kollabieren, sondern sich vielmehr in einer kritischen Auseinandersetzung mit beiden Positionen aufspannt. Dass subkulturelle Zusammenhänge von Interventionen aus dem Zwischenraum profitieren können, zeigte sich wiederholt an anderen Orten – so zum Beispiel an den Wiener Ladyfesten der 2000er. Können müssten wir‘s alle. Na dann.

[1] Zitate im Text und Verweise wie »im Interview« und dergleichen beziehen sich, wenn nicht anders gekennzeichnet, auf mehrere im Zuge der Erstellung dieses Textes mit aktuellen und ehemaligen AktivistInnen und FreundInnen der KAPU geführten emailinterviews. Meinen verbindlichsten Dank an dieser Stelle an Michi Bennington, Herta Gurtner, Silke Hametner, Barbara Hinterleitner, Barbara Huber, Sigrid Justl, Rainer Krispel, Tanja Lattner, Kathi Loidl, Didi Neidhart und Klemens Pilsl. [2] Im weitesten Sinne: soll heißen, dass ich Musik-möglich-machen, wie Booking, labels, Promotion etc, als eine prestigeträchtige site von Musikmachen verstehe. [3] Ich spreche hier nicht davon, dass man als subkulturelle Mucker/in wahnsinnig viel Geld verdienen könnte. Ich beziehe mich vielmehr auf die Freuden von fame als jenen von fortune. [4] »Nudelsalat« scheint in KAPU-nahen Linzer Zusammenhängen langsam die berühmte »Lila Latzhose« als Synonym für traditionell-radikale, frauenorientierte Feministinnen abzulösen.