Robertina Šebjanič und Luka Frelih betreiben in Ljubljana LJUDMILA, ein ähnlich angesiedelter Verein wie servus.at. 2009 waren die Beiden bei LiWoLi mit dem Projekt Pufination vertreten und haben den »hands on« Workshop Pufi building durchgeführt. In diesem Zusammenhang war ich mit Robertina im Austausch über das Format »Workshop« und die damit auftauchenden Herausforderungen. Was ist ein guter Workshop? Welche Fehler passieren bei der Vermittlung von »Skills« oft? Oder ist die Vermittlung von »Skills« überhaupt zum Scheitern verurteilt? Warum ist es überhaupt sinnvoll Workshops zu machen? Wer hat was davon? Wer macht mit? Was bezwecken wir damit überhaupt? Alles Fragen, die etwas später auch in die servus Campus Initiierung mit Enrique Tomás (http://www.ultranoise.es/) einfließen sollten. Zwei Jahre später, wie erwähnt, taucht ein für mich neues Gesicht in dem Zusammenhang auf. Marc Dusseiller. Auf einer seiner Projektseiten http://hackteria.org beschreibt er sich als transdisziplinärer Wissenschaftler und Dozent für Micro- und Nanotechnologie und als Künstler. Er arbeitet an einem integralen Weg Wissenschaft, Kunst und Bildung zu verbinden. Um ehrlich zu sein, war mein erstes Zusammentreffen mit Marc eines, wo ich so gut wie nicht zu Wort gekommen bin und ich mir nur dachte, um eine Bekanntschaft am Rande von Wahnsinn reicher geworden zu sein. Jedenfalls dieses Zusammentreffen und der Auftritt hat mich einigermaßen beschäftigt. Schwer zu sagen, ob totaler Schlafentzug, Alkohol, Kaffee und Zigaretten der alleinige Grund waren, um zu so einer Erscheinung zu morphen. Bei unserem Treffen jedenfalls war ein nächstes Projekt am Tisch, wo wir grob ausgemacht haben, hier in Verbindung zu bleiben. Es ging darum, das in Maribor seit 1995 jährlich stattfindende Computer Art Festival (IFCA) und das damit seit 2009 verbundene KIBLIX Linux IT Festival im November, um eine DIY Culture Aktivität zu erweitern, wo dem Thema »Workshopology« ein entsprechender Platz eingeräumt werden sollte. Hat man 2007 innerhalb von KIBLIX noch Linux Install-Sessions und generell Linux und Netzwerk-Themen verhandelt, taucht 2008 das erste Mal ein Künstler in diesem Kontext auf. Das KIBLA Multimedia Centre gibt es seit 1996 und war Sloveniens erste Institution, die auf neue Medien fokussiert hat. Wie es schlussendlich eigentlich dazu kam, dass Marc Dusseiller hier damit etwas zu tun bekommen sollte, weiß ich nicht im Detail. Aber diese Dinge passieren halt einfach. Jemand kennt jemanden, die kennt wieder den und ladet den oder die dann ein. »Festivalomics« eben. Auch ein spannendes Thema und eine Begriffschöpfung, die hier gefallen ist, die es wert ist, genauer unter die Lupe zu nehmen – ein andermal.
Nichts hätte mich im Grunde jedenfalls nach Maribor gebracht, wären da nicht Robertina und Marc gewesen. Denn 2005, als ich das letzte Mal in Maribor war, war diese Stadt ähnlich einladend, wie Hainburg, nur größer.
Die Stadt alleine ist für mich meistens nicht der Anlass dafür, Linz zu verlassen, sei am Rande bemerkt. Dieser Gedanke ist vielleicht auch hilfreich bei der Überlegung, was eine »Szene« für eine Stadt eigentlich bewirkt!
Maribor – Linz – Maribor
Mit dem Sparticket 78 Euro erste Klasse. Abfahrt Linz, Samstag 19. November, 9:00. Linz-Selzthal – ok – mit der Regionalbahn. Es ist Samstag und ich kann die Bimmelbahn ganz gut genießen, ohnehin muss ich viel nachdenken. Verlangsamung ist da nicht unbedingt schlecht, um zur Ruhe zu kommen. Umsteigen Selzthal. Erste Klasse nach Graz. Umsteigen Graz. Erste Klasse nach Maribor. Erste Klasse für alle! Ankunft Maribor. Keine Hinweise auf irgend etwas Großes oder Großartiges. Einen Stadtplan gibt es aber im Informationszentrum am Bahnhof. Am Weg zum KIBLA kriecht mir die feuchtnasse Kälte in die Knochen. Wer glaubt, man könne sich am Samstag um 14:30 Socken kaufen, täuscht sich gewaltig. Nach 10 min bin ich am ersten Ort des Geschehens angekommen. Erste bekannte Gesichter tauchen auf, es ist warm und ich fühle mich gleich zu Hause. Viel Zeugs und die übliche Workshop-Athmospähre. Ich halte mich nicht lange auf, trinke was und suche gleich den Ort, wo zum Thema Workshopology verhandelt werden soll. Nach einem weiteren Spaziergang mit Sack und Pack werde ich im Keller eines öffentlichen Internet-Cafés fündig. Es scheint von außen irgendwie besetzt. Nur ein selbst gemaltes Transparent weist auf mein Thema hin. Im Keller stoße auf eine Gruppe von Leuten, die sich via Skype-Seminar von Andrew Gryf Paterson (SCO/FI) anleiten lassen, bestimmte Fragestellungen zu beantworten und diese wie wild nieder schreiben. Obwohl Andrew Gryf Paterson nur virtuell präsent war, wurde der Vorgang von dem Geophysiker Bojan Markičević (BA), dem Chair des Workshopology-Symposium, zusätzlich begleitet. Das Ganze funktioniert gut und es findet eine angeregte Diskussion statt, die mich gleich voll einbindet. Neben eingangs erwähnten Leuten waren Teil der Work-shopology auch noch eine junge Chemikerin und zwei Biologinnen, die umtriebige Bloggerin und KünstlerIn Deborah Hustic (CRO) und einige mehr. Als These für Workshopology galt, dass es um die Gestaltung von Performances geht, die einen wissenschaftlichen und künstlerischen Prozess vereinen, aber unterschiedliche, nicht zwingend überlappende Ergebnisse sind. Damit haben wir uns ab meiner Ankunft und bis zu meiner Abfahrt mehr oder weniger rund um die Uhr beschäftigt. Nicht nur im Keller des Internet-Cafés sondern auch in der Unterkunft (Homestay One), in der ich untergebracht war und wo ca. 20 Leute Küche, Bad, Wohnraum teilten.
Alle Beteiligten jedenfalls konnten spezielle Erfahrungen und auch Frustrationen zum Thema Workshops teilen, ob als TeilnehmerInnen, als selbst Leitende von Workshops oder als OrganisatorIn. Die unterschiedlichen Hintergründe und Motivationen, die alle mit sich brachten, bestimmten die Qualität der Auseinandersetzung. Einen Teilaspekt als Konsens gab es darüber, dass Nicht-alles-zu-wissen und Improvisation in Aufgabenstellungen wichtig sind, während Workshops für viele Beteiligte die meiste Befriedung darstellt, solange man einen persönlichen WOW Effekt damit verbinden kann. Damit ist natürlich bei weitem nicht alles gesagt und daher wird es wohl wiederholte Anlässe geben, an diesem Thema dran zu bleiben. Eines habe ich noch mitgenommen: Informelle Kommunikation, Räume und ausreichend Platz dafür machen die Qualität einer solchen Veranstaltung aus.
http://www.kiblix.org/kiblix11/, http://www.body-pixel.com/, http://hackteria.org, http://www.dusseiller.ch/labs/
PS: Am Rande und erst zu Hause habe ich entdeckt, dass Maribor 2012 europäische Kulturhauptstadt wird!
Wichtige Lese-Tipps
Nach dem Ende der Politik
Texte zur Zukunft der Kulturpolitik III
Kulturpolitik ist als Kategorie öffentlichen Handelns kaum mehr sichtbar. Angesichts ökonomistischer Sachzwänge wird Kultur zu einem Thema außerhalb des Widerstreits gesellschaftlicher Ideen. Zugleich verfolgt das gesellschaftliche Postulat der Rechten sehr wohl kulturpolitische Ziele. Kultur wird als »Soft Power« immer mehr zu einem Schauplatz des Wettkampfs von Städten und Regionen, in denen Kunst der Veredelung der Gastronomie und dem Serviceangebot für Tourismus und Immobilien-industrie dient. Kultur verkommt zum Sicherheitsparadigma, schreibt sich in rassistische Diskurse ein und wird zu einem zentralen Leitmotiv von Repression und politischer Verfolgung.
Konrad Becker, Martin Wassermair (Hrsg.)
Löcker, Wien 2010 ISBN 978-3-85409-552-1
Texte von Franco Berardi Bifo, Jodi Dean, Branka Curcic/Zoran Pantelic, Jens Kastner, Thomas Macho, Gerald Raunig, Saskia Sassen, Klaus Schönberger, Christoph Spehr, Felix Stalder
Vergessene Zukunft
Radikale Netzkulturen in Europa
Mitte der 1990er Jahre ist in Europa eine vielfältige Netzkultur entstanden. Während die US-amerikanische Szene den Cyberspace als Raum jenseits der Politik imaginierte, waren die europäischen Netzpioniere darauf bedacht, die Möglichkeiten des Internet für neue politische und kulturelle Initiativen in der realen Gesellschaft zu nutzen.
Anhand von Zeitdokumenten, aktuellen Textbeiträgen und Interviews geht dieser Band erstmals auf die kritische Haltung europäischer Netzkulturen ein. Die Beiträge liefern so wichtige Referenzpunkte zur Gestaltung unserer techno-kulturellen Gegenwart jenseits von Facebook und Google.
Clemens Apprich, Felix Stalder (Hg.)
Februar 2012, ca. 370 S., ISBN 978-3-8376-1906-5
Reihe Kultur- und Medientheorie