Die Ziele sind viele – Tonga.Online

Ein Bericht im Rahmen von »Treffpunkt Afrika« von Theresa Luise Gindlstrasser über das Projekt TONGA.ONLINE und was es heißt von Linz nach Binga zu reisen, ohne in Standesdünkel der Entwicklungshilfe zu verfallen.

Am 13. Oktober 2011 wurde im obersten und aussichtsreichen Stockwerk des Linzer Wissensturmes einer eher schmalen Öffentlichkeit das Projekt TONGA.ONLINE, im Rahmen eines Vortrages und Reiseberichts, näher gebracht. Gesprochen haben Peter Kuthan von der ARGE Zimbabwe Freundschaft, sowie Rainer Ruprechtsberger und Pamela Ripota von Funk Feuer Linz. Erzählt haben sie von dem ehrgeizigen Versuch »das Volk der Tonga in Zimbabwe und Zambia durch die Förderung seiner Kultur und im Zugang zu Wissen und Information mit Computern zu unterstützen.« Dieser Versuch reicht weit aus der Vergangenheit heraus und erstreckt sich bis zu einer erneuten, dritten, Reise von Rainer Ruprechtsberger, in deren Verlauf unter mulonga.linz.funkfeuer.at eingesehen werden kann.

Im Rahmen der demokratisch interessierten Auseinandersetzung mit den Unabhängigkeitsbewegungen gegen die kolonialen Herrschaften in Afrika in den späten 60er und 70er Jahren wurde in Linz die ARGE Zimbabwe Freundschaft inspiriert. Mit vielen Projekten wurde und wird seither der Kulturaustausch zwischen Zimbabwe und Österreich gefördert. (www.servus.at/argezim)
1965 wurde in Zimbabwe von einer weißen Minderheitsregierung die Unabhängigkeit von Großbritannien erklärt. Der Widerstand gegen diese Regierung durch die Rebellen der Zimbabwe African National Union und der Zimbabwe African Peoples Union dauerte an. Mit den freien Wahlen 1980 erhielt die ZANU die Mehrheit im Parlament. Robert Mugabe trat das Amt des Premierministers an. Zu diesem Zeitpunkt gefeiert, entwickelte sich Zimbabwe spätestens ab den 90er Jahren mehr und mehr zu einem repressiven Einheitsstaat. Misswirtschaft, Korruption, Verletzung von Menschenrechten und Wahlbetrug prägen das heutige Zimbabwe und erschweren die Zusammenarbeit der ARGE Zimbabwe Freundschaft mit den lokalen Kultur-Organisationen.

In den späten 50er Jahren wurde im Norden Simbabwes, an der Grenze zu Sambia, der Kariba-Stausee angelegt. An die 60. 000 Menschen, die vordem entlang des Sambesi Flusses gelebt hatten, mussten in die höher gelegenen Regionen übersiedelt werden. Das Volk der Tonga wurde hierdurch massiv in seiner Identität und Lebenserhaltung beschnitten. Durch die Umsiedlung wurden sie von ihrer Lebensgrundlage, der Fischerei, abgeschnitten und müssen nunmehr in einer kargen Savannenregion von praktisch unmöglicher Landwirtschaft überleben.

Das Projekt TONGA.ONLINE wurde 2001 von der ARGE Zimbabwe Freundschaft und des Kunzwana Trust Zimbabwe initiiert (Ansprechpartner in Simbabwe ist der Basilwizi Trust) und finanziert sich durch private und öffentliche Mittel. Einerseits geht es um »den Aufbau eines Netzwerkes von Computerzentren an Schulen, die das Internet für Kommunikation und Bildung nutzen«, andererseits wird versucht mit der Plattform www.mulonga.net ein Sprachrohr für diese Entwicklung zu bieten. Peter Kuthan spricht in diesem Zusammenhang von dem Anliegen, die Möglichkeiten bereitzustellen, um die Kultur der Tonga, ihre Tonkunst, durch die Tonga selbst bewahren und über die Grenzen Zimbabwes hinaus repräsentieren zu können. Zudem soll dadurch auch Solidarität mit den Tonga in ihrer prekären Lage möglich gemacht werden.

Der Büchereiverband Österreich hat das Projekt mit einer Sachspende von Computern unterstützt welche in Binga, der größten Stadt des Tonga-Gebietes in Zimbabwe, einen Public Access Point (pap) ausstatten sollen. Ein großes Problem liegt jedoch in der Bereitstellung eines Internetzugangs. Nach Angaben von Rainer Ruprechtsberger belaufen sich die Preise für ein GB, wo überhaupt ein Zugang möglich ist, auf 100 Dollar. 2009 hat die ARGE Zimbabwe Freundschaft Funk Feuer Linz um technische Unterstützung für das Projekt TONGA.ONLINE gebeten.

Funk Feuer Linz bemüht sich um den Aufbau eines Netzwerkes das frei, unkommerziell, selbstorganisiert, dezentral und partizipativ Infrastruktur und Wissen zur Verfügung stellen soll. Alle Nutzenden werden hierbei ebenso zu Bereitstellenden. Funk Feuer Linz lenkt den Fokus dieser Bestrebungen in gesellschaftspolitische, soziale Richtung und sieht sich keineswegs nur als Bereitstellerin von gratis Internet.

Im Oktober 2010 wurde die erste Reise nach Zimbabwe unternommen, im Mai darauf die zweite. Schwierigkeiten stellten und stellen sich viele in den Weg. Die bürokratischen Notwendigkeiten zur Genehmigung des Vorhabens ziehen sich in die Länge. Das Klima bekommt den Computern nicht. Es fehlt an technischen Ausstattungen.
Nichtsdestoweniger wurde viel gearbeitet und viel erreicht. In Kooperation mit dem Rotary Club Linz Süd konnten konkrete Schritte in Richtung Energieversorgung getätigt werden. In Siabuwa, östlich des Kariba-Stausees, wurden Solarzellen installiert. (Besonders für abgelegene Dörfer ist Energieversorgung in Simbabwe nur ein großes Versprechen.) Reale und digitale Bücher konnten für die Bibliothek in Binga bereitgestellt werden. Wissen über Computer wurde weitergegeben, die Geräte in Stand gesetzt und es wurde in die Zukunft gedacht.

»Das Ziel des Projektes ist aber nicht irgend eine Infrastruktur aufzubauen, sondern die Menschen vor Ort in die Lage zu versetzen selber diese Infrastruktur aufzubauen und zu betreiben. Wir müssen für den Aufbau dieses Netzwerks auch das notwendige Know-How dafür exportieren, nicht nur die Hardware.« [Ruprechtsberger auf mulonga.linz.funkfeuer.at]

Primäres Ziel des Projektes TONGA.ONLINE ist die Erhaltung und Sichtbarmachung der Traditionen der Tonga. Die Entwurzelung, die dieser Ethnie aufgrund des Baus des Kariba-Dammes widerfuhr, hinterließ deutliche Spuren. Malaria stellt ein großes Problem dar. Migration der Jugend minimiert die Bevölkerung in dem dünn besiedelten Gebiet und verhindert eine Weitergabe von Wissen und Kultur in der Familie. TONGA.ONLINE versucht eine Selbstdarstellung der Tonga in einem Staat zu ermöglichen, der so gar nicht auf dem Prinzip der Partizipation aufbaut. Durch lokale und regionale Vernetzung sollen Traditionen und Inhalte miteinander und mit allen anderen kommuniziert werden. Rainer Ruprechtsberger spricht in diesem Zusammenhang von einem möglichen Austausch über Bewältigungsstrategien. Nach Pamela Ripota kann TONGA.ONLINE als Einladung zum eigenmächtigen Produzieren, Handeln gelesen werden.

»If you can own your own radio network you have control over how you operate it and how you connect. We recognised that network connections, how we make them and the terms under which we make them, are political acts as much as anything else.« [Julian Priest nach linz.funkfeuer.at/]

Pamela Ripota und Rainer Ruprechtsberger sind sich einig, dass das Projekt keinen einseitigen Wissenstransfer darstellt. Es wäre »gut für Österreich, die Offenheit der Tonga rein zu lassen«. Beide wurden überwältigt von einer Herzlichkeit, die sie so nicht kannten und nicht erwartet hatten. Ein Stückchen weit ist es mittlerweile ein Heimkommen für Ruprechtsberger, der derzeit zum dritten Mal nach Zimbabwe verreist ist. Der zunehmende Unmut an den Repressionen des Regimes ist für ihn erlebbar.
Zwar erkennt Ripota »illusorische Hoffnungen«, die mit dem Projekt verknüpft werden, andererseits aber auch die Freude, das Interesse und die wirkliche Erleichterung über die Möglichkeit von Austausch und die Erkenntnis mit Problemen nicht alleine zu sein.

Die finanzielle und strukturelle Zukunft des Projektes TONGA.ONLINE gestaltet sich ungewiss. Die Finanzierung ist mehr als schwierig. Zudem erschweren Budgetkürzungen und bürokratische Einschränkungen die Arbeit. Auch praktische Fragen, beispielsweise nach dem »Wie?« der Entsorgung von Elektronik-Müll, werden laut. Die ideelle und auch emotionale Seite des Projekts kann als stark und engagiert bezeichnet werden.
Der Vortrag im Wissensturm wurde getragen von pragmatischen Formulierungen und einer ehrlichen Leichtigkeit, die nicht unbedingt als Regelfall anzusehen ist, wenn es um Kulturaustausch zwischen der sogenannten ersten und der sogenannten dritten Welt geht. Vielleicht liegt es daran, dass TONGA.ONLINE sich eben nicht als Entwicklungsprojekt versteht, sondern als sozialkritisches, politisches Interesse einer Demokratisierung von Mitteln. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Dinge einfach werden, wenn wir sie als einfache verstehen. Das Wort zum Schluss nach Ruprechtsberger: »Die Ziele sind viele.«

Um auch weitere Reisen, die nächste soll im April 2012 stattfinden, Workshops vor Ort, und den Aufbau eines Netzwerks zu finanzieren, ist TONGA.ONLINE auch auf Spenden angewiesen:

Kontoname: Todo
Oberbank, BLZ 15000
Kontonummer: 611137159