Die Werkstatt in der Albertina

Wie gelangt die Werkstatt der Stadtwerkstatt in die Wiener Albertina? Durch Hauenschild Ritter und deren zeichnerisches Oeuvre als Künstlerkollektiv. In der Albertina hängen derzeit unter anderem vier großformatige Werke, die die STWST-Werkstatt darstellen.

Hauenschild Ritter, Monitor, 2003. Pastell auf Papier, Arbeiterkammer Wien © Hauenschild Ritter (Bild: Norbert Artner / Bildrecht, Wien 2022)

Mit dem vierteiligen Zyklus Im Lichte der Arbeit beziehen sich Hauenschild Ritter auf ihre jahrelange Arbeit für die Stadtwerkstatt Linz, mit der sie Projekte im öffentlichen Raum, Kunst am Bau sowie multimediale Beiträge für Fernsehen und Radio realisieren. Die Zeichnungen zeigen die beiden Medienkünstler beim Konzipieren und Bearbeiten ihrer Werke. Als Lichtquelle in der fensterlosen Werkstatt fungieren die Monitore, die mit ihrem bewegten Bild das Szenario erhellen. Sie sind eine Bezugnahme auf die von der Stadtwerkstatt produzierten Videos sowie die Bilderflut, die täglich über unzählige Bildschirme auf uns einströmt. In den Zeichnungen selbst bleiben die Monitorflächen jedoch weiß, die Bilder leer. Das seltsame Durcheinander im Raum enthält Versatzstücke anderer Projekte und veranschaulicht zudem das Verhältnis der Künstler zueinander, das geteilte Arbeiten. Der reale Raum verwandelt sich in der Zeichnung in einen symbolischen Raum, in dem schöpferische Arbeit stattfindet. In einem der vier Bilder, in Max-TV sehen wir Max, den Hausmeister der Stadtwerkstatt, mit einem Monitor in Händen und einer Kamera neben sich – eine Zusammen-führung der Entstehung von Bildinhalten und ihrer Betrachtung, was auch uns selbst miteinbezieht.   

Der vierteilige Zyklus Im Lichte der Arbeit ist dabei Teil der Ausstellung »Hauenschild Ritter – Muntean/Rosenblum – Zwei Künstlerkollektive in Österreich«. 

Die Albertina präsentiert zwei in Österreich ansässige Künstlerduos, die in langjähriger Zusammenarbeit einen eigenen, unverkennbaren Stil entwickelt haben: die Medienkünstler Peter Hauenschild und Georg Ritter arbeiten seit 1989 gemeinsam an ihren monumentalen Zeichnungen. Markus Muntean und Adi Rosenblum schaffen ihre Werke seit 1992 in Kollaboration. Beiden Kollektiven widmet die Albertina eine zweiteilige retrospektiv angelegte Ausstellung, die die jeweiligen Hauptwerke – aus eigener Sammlung wie auch Leihgaben – zusammenführt.   

Die Gattung der Zeichnung gilt als individuellste ästhetische Äußerung. Daher darf die bis zur Ununterscheidbarkeit zweier Hände reichende Zusammenarbeit von Hauenschild Ritter im ersten Teil der Ausstellung als außergewöhnliches Phänomen verbucht werden. Im Konzipieren der gezeichneten Werke bleiben die beiden Medienkünstler ihrem sonstigen Schaffen verbunden, indem sie Szenen zuvor digital zusammenstellen und Objekte am Computer entwerfen, ehe sie sie gemeinsam per Hand auf dem Papier skizzieren. In einem Schichtaufbau legen Hauenschild Ritter abwechselnd Schraffur über Schraffur und modellieren daraus ihre Interieurs, Landschaften und Figurendarstellungen. Die Zeichnungen entstehen stets zwischen anderen Projekten, in Situationen, die aus dem Alltag herausgelöst sind. Die Flut der Bilder, die die Künstler umgibt und zu der sie selbst beitragen, wird im Prozess des langwierigen und akribischen Zeichnens entschleunigt und in Form der Zeichnung zum Stillstand gebracht.   

Von Hauenschild Ritter sind 21 Arbeiten zu sehen, folgende Titel: Im Lichte der Arbeit (Stadtwerkstatt Werkstatt, vierteiliger Zyklus, siehe oben), Underneath (New York Aufenthalt), Schnee (Ruinen einer Lagerhalle), Lichtung (Gefällte Bäume), Wenn das Gras kniehoch steht (Aufgelassener Friedhof in Madrid), Bohrköpfe (technische Gegenstände aus dem Kontext), Gimme Shelter, siehe folgend:

 

Hauenschild Ritter, Gimmi Shelter, 2008. Pastell auf Papier, Besitz der Künstler © Hauenschild Ritter (Bild: Pixelstorm Litho & Digital Imaging)

 

Mit Gimme Shelter, zu Deutsch »Gib mir Unterschlupf«, widmen sich die Künstler dem sogenannten »Igel«, einer höhlenartigen Hütte im Toten Gebirge, die der Widerstandsbewegung des Salzkammerguts während des NS-Regimes in den Jahren 1944 und 1945 als Versteck und Stützpunkt diente. Da man während dessen Errichtung einer Igelfamilie begegnete, erhielt der Bau diesen Tarnnamen. Zwischen 15 und 20 Männer fanden hier Unterschlupf und blieben – trotz wiederholter Suchaktionen – bis zum Kriegsende unentdeckt. Gimme Shelter lässt nichts davon erahnen. Nicht einmal der Titel – ein Verweis auf den gleichnamigen Rolling-Stones-Song – gibt Aufschluss darüber, worum es sich handelt. Hauenschild Ritter ziehen für ihre Zeichnung kein Archivmaterial heran, sondern präsentieren den Schauplatz im aktuellen Zustand, rund 60 Jahre nach den damaligen Ereignissen. Der Wald hat sich das Terrain längst zurückerobert. Doch im Wissen um die Bedeutung des Ortes glaubt man die Männer beinahe vor sich zu sehen, wie sie sich am sichtgeschützten Feuer wärmen, den neuesten Nachrichten aus dem batteriebetriebenen Radio lauschen oder von den Frauen im Tal mit dem Notwendigsten versorgt werden. Gerade aus dem, was nicht zu sehen ist, aus einer Ereignislosigkeit heraus, entwickelt das Bild seine Spannung. Sämtliche Geräusche sind in diesem Standbild ausgeblendet, Wind und Vogelgezwitscher scheinen kurz auszusetzen, um mit uns in einer Momentaufnahme zu verharren und innezuhalten.   

Wir vermuten ja: Es geht nicht, nicht zu kollaborieren. 
Aber: An dieser Stelle Zitate von Ritter Hauenschild in Sachen »Einsames Schaffen vs Kollaboration«: 

»(…) Das Gegenüber ist Anregung zum Denken und Handeln. Das Gegenüber bedingt den Diskurs und durchbricht den inneren Monolog, das Selbstge-spräch. Zudem steht ja das Werk nicht für sich alleine, ich möchte es in einen sozialen Zusammenhang stellen. Der gemeinsame Weg ist aber nicht immer einfach, da Reibungen vorprogrammiert sind. Und die eigene Position ist immer aufs Neue zu finden und zu definieren.«
   
»Durch das gegenseitige Überzeichnen, Überlagern, Durchstreichen und Ergänzen entsteht ein eigenartiges Geflecht von Kommunikation – ein 
wortloses Gebilde – etwas Geheimnisvolles liegt dahinter auf Lauer.« 
(Peter Hauenschild)

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Hauenschild Ritter – Muntean/Rosenblum 
Zwei Künstlerkollektive in Österreich 
Albertina Wien, 5. Oktober 2022 bis 15. Jänner 2023   

21 Arbeiten von Hauenschild Ritter
21 Arbeiten von Muntean/Rosenblum   
Kuratorin: Elsy Lahner, Kataloge erhältlich. 
www.albertina.at

Fette Textpassagen: Versorgerin Redaktion
Andere Textpassagen: Auswahl aus Albertina Presse/Kuratorinnentext
Von Hauenschild Ritter stammt das Cover dieser Versorgerin: »Lichtung«, 1994 (Ausschnitt) – im Saal der STWST gehängt.