COLD RESISTANCE siedelt zwischen kaltem Widerstand und Kälteresistenz, zwischen Minus-Kunst, Tech-Anarchia, Meltdown und Klimakatastrophe, zwischen der kühlen Kritik des Verstandes und der widerständigen Welt des Rückzuges. Draußen: Smash! Drinnen: Im Bett liegen und kritisch sein!
Das Ende der Welt ist vorstellbarer als das Ende des Kapitalismus.
Benennen wir einen überkommenen Kapitalismus, der zwar mehr als tot ist, aber dennoch als superaggressiver Zombie weiterlebt. Kombinieren wir das mit der Rede von Humanismus und Aufklärung, die zwar noch vor sich hin röcheln, aber tatsächlich auch nicht mehr ganz gut riechen. Wir konstatieren: Humanismus wird im Post-Humanismus zu einer Art verbessertem Future-Cyborg, den wir noch nicht ganz kennen. Und das Ende des Kapitalismus lebt weiter als Zombie: Wir wollen ihn aber nicht so richtig anschauen, weil uns graust. Als Individuen im Kollektiv, und damit ist jetzt jede:r einzlne:r von uns gemeint, sind wir bald so weit gekommen, dass jede:r von uns als eine Art Zombie-Cyborg unsere Basisversorgung, etwa den Strom, den wir wie ein Schluck Wasser zum Überleben brauchen, nach Tageskursen direkt an der Börse kaufen wird müssen. Und mit dem Schluck Wasser, den wir wie einen Bissen Brot brauchen, und den Bissen Brot, den wir wie einen Kubikmeter Gas brauchen, ist das ebenso. Warum diese Polemik? Weil die Frage berechtigt ist, wieviel wir Rundum-Konsument:innen, die institutionalisierte Kritik oder die Kunst tatsächlich noch zur Rettung der Welt beitragen können – Stichwort Totalisierung, Kapitalisierung, Machenschaften, Klimakatastrophe oder der soziale Kältetod. Wir fragen uns: Welche Kunst wollen wir überhaupt noch machen? Welche kritische Produktion peilen wir an? Ist Kritik nicht schon längst zu einem Rest-Gestus »kritischer Beschäftigung« geworden, die der Selbstbestätigung dient (oder dem Wohlstandsgrusel)? Denn um die Luft zum Atmen, sprich Kritik, die die eigene Sphären verlässt, kümmern sich jetzt Kinder, die sich mit Superkleber auf die Straße oder an Kunst kleben. Natürlich: Es sind ganz und gar keine Kinder. Und ja, sicher: Es gibt keinen richtigen Aktionismus im falschen Adorno.
Smash, oder: Im Bett liegen und kritisch sein.
Laut diverser Quellen der Sub- und Popkultur war bei den 16-Jährigen der 80er-Jahre (Kalter Krieg) die Vorstellung populär, dass in Zukunft jede:r seine eigene, kleine Atombombe bekommen und eingesteckt haben wird. Zur eigenen Verwendung. Natürlich spiegelt in den 80ern die »kleine Atombombe in der Tasche« den kleinen Hitler, den kalten Krieg, die Aufrüstung und das Atomkrieg-Horrorszenario in einem. Als generelles Bild spiegelt es aber auch: Vereinzelung, Entsolidarisierung, Ohnmacht, explosives Potential, das Traue-Niemandem eines sich beschleunigenden Kapitalismus, das Unbehagen vor einer Technologie, die wir nunmehr auf selbstgefährdende Weise in der Tasche haben. Denkt da heute bei der Bombe in der Tasche wer an ein Smartphone oder was noch draus wird? Oh Gott, nein! Lieber anders weiter: Kalte, warme Welt. Auffällig ist, dass Revolte heute als Statement oder Attitude in fast schizophrener Weise zwischen Wut, Zerstörungslust, Safe Space und Rückzug pulst. Das Außen dringt in persönlichste Sphären ein, die widersprüchliche Welt. Der Widerstand, den man fühlt, dreht und wendet sich ins individuelle Leben – und man nimmt den Fehdehandschuh halb an oder auch nicht. Indem man Dinge sieht oder auch nicht sieht, protestierend auf die Straße geht oder auch schlichtweg nicht handeln kann: Wir sind mit komplexen Zusammenhängen und unterschiedlichen Lebensrealitäten konfrontiert. Wir hören täglich von Kriegstoten. Und wir können zusehen, wie sich unzweifelhaft die ökologischen Fragen von selbst zu regeln beginnen, während unsere Grundversorgung und die sozialen Bedingungen denselben Weg einschlagen: Smash passiert draußen, mit und ohne uns. Und vielleicht waren manche immer schon zu bequem um aufzustehen, aber andere kommen schlichtweg aus Widerstand nicht aus dem Bett. So manch Kunstperformance verbreitet Post-Apokalypse-Stimmung: Die Katastrophe scheint bereits passiert, und wir versammeln uns, um uns einer Art von Überlebenden-Gemeinschaft einer Rest-Schönheit hinzugeben. Klar ist: Es gibt keinen Weg zurück. Und den Unterschied zwischen Zombie und Cyborg hat uns auch noch niemand erklärt.
Let‘s talk about Technoanarchism.
Ismus hin, Ismus her, die Sache ist die: In general, we‘re cheering for anarchist principles: Freie Assoziation, Selbstbestimmung, Dezentralisierung, Befreiung der Individuen im Kollektiv, etc. Das gilt natürlich auch für digitale Technologien: Freie Software, offene Hardware, Do it yourself, do it with others – becoming users instead of being used. Das kennen und wissen wir. Als Stadtwerkstatt verweisen wir hier auf unsere Freunde von servus.at: Wie sie und andere Communities wollen wir frei zugängliche Produktionsmittel, die soweit möglich modifizierbar ist. Wir wollen keine monopolisierten Technologien, die Techniken kapitalistischer Herrschaft sind. Darüber hinaus wollen wir nicht akzeptieren, dass Geräte die geplant obszoleszente Opfergaben einer Religion des too-much-is-never-enough geworden sind und den Planeten versauen.
Aber wir finden genau das vor: GAMA und andere Tech-Riesen bestimmen, wo es lang geht, Milliardäre können den Kurs der gesamten Menschheit bestimmen – nicht, weil sie sich besonders gut auskennen, sondern weil sie sich mittels ihrer Finanzkraft durchsetzen können. Wir scheinen vor die Wahl gestellt, uns an den Rocksaum (supra)staatlicher Regulierung (weil irgendwie »demokratisch« legitimiert) klammern zu müssen oder unsere zerschlissenen Mäntelchen in den Wind des »free enterprise« hängen zu müssen – where ever it might blow. Das sind die wahren ungeregelte Zustände – und wir wollen hier, im Techfantasia von soziopathischen Spinnern, mit der Beschlagwortung vom Technoanarchism den kalten und harten anarchistischen Ansatz der Zerschlagung thematisieren.
Wir wollen dabei weder so tun, als wäre Anarchismus als Begriff die Rettung, noch ist er die kontradiktorische Negation, das absolute Gegenteil des Kapitalismus und komplett unvereinbar mit ihm. Vielmehr handelt es sich um einen kombinierten Widerspruch, der Spielraum eröffnen soll. Dieser steht mit seinem Reset des Reglements auch in Kontrast zum Spielfeld, auf dem sich die üblichen ideologischen Schablonen tummeln: Libertäre und Liberale etwa pflegen eine Wahlverwandschaft, die mal verdeckter ist und mal offener zu Tage tritt. Feyerabends »anything goes« liebäugelt mit Schumpeters schöpferischer Zerstörung – Nervensäge Gerald Hörhan nennt sich »Investment Punk« (Sidenote: Bitte wandere nach Dubai aus und verschone uns mit deinen verkackten Steuertipps!) und letztlich ist es bei beiden irgendeine Form von Markt, der Alles ins Lot bringen soll.
Tatsächlich sorgt der anarchische Charakter der kapitalistischen Produktion (Ernest Mandel im Anschluss an Marx) für verbrannte Erde und dafür, dass sich das Eingangs erwähnte Bedürfnis-Karussell Strom-Wasser-Brot-Gas immer schneller dreht und alle abwirft, die sich die Ticketpreise fürs zynische Karussell nicht mehr leisten können.
Wir sagen NEIN. FUCK THAT. Das muss doch anders gehen – vielleicht kann Kunst, Theorie und Kritik ja mal wieder ihre utopischen, nicht-marktkonformen oder auch schlichteg persönlich motivierten und/oder unfertigen Faszikel eines Techno-Anarchismus anwerfen anstatt irgendwelchen NFT-Scheiss rückzuverdauen.
Minus-Kunst: Unter dem Nullpunkt.
Mit COLD RESISTANCE interessieren uns Ansätze, die die sozialen, politischen, technologischen und ökologischen Thematiken integrieren. Wir wollen aber weitergehen. Was kann COLD RESISTANCE im Sinne des kalten Widerstands, der Kälteresistenz oder auch inmitten von Untoten im unendlich lebenden Datenspace bedeuten? Wir wollen näher an den Nullpunkt des Researches: Am absoluten Nullpunkt bei minus 273 ist die Maßzahl für Entropie gleich Null. Bei minus 273 Grad arbeiten Quantencomputer. Und wir meinen: Dort arbeitet auch die Kunst, mit allen offenen Mitteln und Medien, die kritischen Geistern zur Verfügung stehen sollten. Wir wollen uns ansiedeln zwischen Naturgesetzen, Widerspruch, Widerstand, Kunst, Leben, Sprache, Körper, Entropie, Information, der Physik der Beziehungen. Wir wollen mit Erwin Schrödinger die schlichte aber schwerwiegende Frage stellen: Was ist Leben? Konkret: Wir wissen zwar nicht, was Kunst, Leben und Bewusstsein am absoluten Nullpunkt bedeuten könnte und vermuten, es liegt in einem Outer Space der Definition, denn: Was heißt schon alleine »Null« am absoluten Nullpunkt? Aber: In der Stadtwerkstatt wurden in den letzten Jahren einige Projekte umgesetzt, die als Annäherungen an diese Thematiken gesehen werden können. Dies soll heuer neu forciert werden. Als Minus-Kunst in Progress. Als Gesellschaftskritik sowieso. See the Open Call.
Cold Open Call
COLD RESISTANCE siedelt zwischen kaltem Widerstand und Kälteresistenz, zwischen Minus-Kunst, Tech-Anarchia, Meltdown und warmer Klimakatastrophe, zwischen der kühlen Kritik des Verstandes und der widerständigen Welt des Rückzuges. Draußen: Smash! Drinnen: Im Bett liegen und kritisch sein!
Wir wollen 2023 mit COLD RESISTANCE Texte einsammeln und Projekte umsetzen. Die STWST verortet sich in einer Kunst nach den neuen Medien. Pessimismus wollen wir uns nicht leisten, aber Kritik und Horizont sehr wohl. Helft uns dabei. Schickt Texte, Projekte oder auch euch selbst. Der Call ist bewusst offen gehalten:
Du willst Kunst machen? Alles geht, zwischen Meltdown und minus 273 Grad. 1 Seite Projektskizze und einige Zeilen Bio genügen vorerst. Bis 10. Jänner 2023 an cold@stwst.at. Betreff: Kunst bei minus 273 Grad.
Du willst Texte schicken? Die Texte sollten mit dem Jahresclaim in Verbindung stehen und können in allen Stadien und Formen übermittelt werden – Samples oder Skizzen im Umfang von circa 2000 Zeichen genügen vorerst. Bis 10. Jänner 2023 an cold@stwst.at. Betreff: The TechnoAnarchia in me.
Du willst reden? Die STWST wird 2023 wieder Küchentische veranstalten. Wer an einen der vier Essen, bei denen zwischen März und Juni Strategien zwischen Kälteresistenz, Widerstand und Kunst besprochen werden, teilnehmen möchte, kann sich mit einem formlosen Schreiben bewerben. Sprich: Schreib ein Mail, welches Thema du fürs Essen mitbringen würdest. Bis 10. Jänner 2023 an cold@stwst.at. Betreff: Kalte Küche.
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