STWST Jahresprogramm 2021 - Projektauswahl

Eine Auswahl von aktuell startenden Projekten.

Still Streaming LESS

Der Lockdown und das faktischen Ende kultureller Veranstaltungen im Real Life läutete einen Schub an Digitalisierung, Anwendung der Tools und de facto ein neues Zeitalter des Streamings ein. Nicht nur private und Arbeitsmeetings, sondern auch ein Gutteil des kulturellen Lebens flüchtete in den digitalen Strom. In Anbetracht der allgemeinen Entwicklung: Wie sinnvoll sind Formate, Repräsentationen und Streams, die reine Ersatzorte kreieren? Die STWST schwimmt gegen den Stream und meint: YES, we still stream LESS! Mit mobilen Streaming-Modulen senden wir von realen und gefakten (Un)Orten. Nichts liegt uns ferner als Content zu produzieren. Wir setzen am Nullpunkt von Content, Talking Heads und More-of-the-Same der Online-Oberflächen an, um uns den Flow zurückzuholen.

MEHR Kontext

Die STWST versteht es, sich Mittel sowie Medien anzueignen, emanzipativ zu nutzen sowie (wenn es denn sein soll) auch im künstlerischen Akt gegen sich zu wenden. Die für alle STWST-Departments gemeinsame Klammer eines »Less« und eines »Still« bezeichnet ein Agieren in der gegenwärtigen Situation, sowie ein Weitermachen in der Anwendung von digitalen und nicht-digitalen Tools. Dies soll innerhalb der verschiedenen Bereiche der STWST als gemeinsame kuratorische Arbeitsklammer und erweiterter Kontext angegangen werden, zumal diese Frage der Möglichkeiten, der Kritik und der Alternativen von IT, Content und Digitalisierung in den bestehenden Arbeitsschienen der New Art Contexts wesentlich und konstant fundiert ist, neu gedreht werden kann und mit den unterschiedlichen Praxis- und Publikumsbereichen der STWST auch realen Situationen gegenübergestellt werden kann. Was die aktuelle Situation der Pandemie, der angeschobenen Digitalisierung inklusive der »alternativlosen« Shifts von realen Räumen in den digitalen Raum anbelangt: Die Art und Weise des Contents, der Bildgebung, des Transfers und die dahinterstehende Frage der Nutzung seitens der UserInnen ist definitiv eine Frage, die für alle Departments der STWST interessant ist – vor allem im der kritischen Reflexion und in anders intendierter Nutzung. Etwa als Ansatz des Still Less Streamings (»Stream spielt das Werk, vergisst den Raum«), des Infolabs (»Die Gegenwart dauert 3 Sekunden«), der Quasikunst (Innenraum-»Immersion«), oder auch des Clubs (Konzerte für NIEMANDEN, Konzerte für JEMANDEN). Alles zusammen bildet ein Re-Shift zum künstlerischen Akt als Zentrum der kulturellen Tätigkeit. Besonders letzteres, ein Agieren ohne Publikum, zeigt offensichtlich auf ein radikal anderes Öffentlichkeitskonzept, das beinahe schon im Anti-Anthropozän angesiedelt ist und in dieser Weise auch weiterentwickelt werden kann. Wir verstehen es als Stärke, dass dieses »offene Konzept des Zusammenhangs« anhand von verschiedenen Bereichen der STWST von New Art Contexts, über Medien und Musikclub bis hin zu den sozialen Sphären des Cafe Stroms auch in einer Betrieblichkeit diskutiert werden kann und sich so zu einem Kuratierungskonzept entwickeln wird, das aus den konkreten Arbeitspraxen eines autonomen Kunst- und Kulturortes entsteht. Denn wir entwickeln unsere Expertisen nicht bei Kulturmanagmentlehrgängen. Und auch nicht im Online-Fernstudium bei Humbold!

Infolab: Die Gegenwart dauert 3 Sekunden

Das Infolab ist eine kontinuierliche Informationstheorie-Research- Schiene der Stadtwerkstatt. Hier wurden in den letzten Jahren Kunst-und Kontext-Projekte im Haus entwickelt und produziert. Einerseits geht es immer um eine Low-Tech-orientierte Nachrichten- und Datenübertragung. Dies kann als kritischen Statement zur Entwicklung der IT gelesen werden. Weiterführend wird der Informationsbegriff vor allem aber grundsätzlich thematisiert und erweitert – um weiter gefasste Informationssysteme von Natur, Evolution und Kosmos. Im Infolab wurden über die Jahre auch Natur- und Netzwerk-Research-Programme angehängt (etwa die international agierende Mycelium Network Society), oder zahlreiche Residency-Reihen, innerhalb deren externe Künstlerinnen eingeladen wurden. 2021 ist dies eines von mehreren Infolab-Projekten:

Infolab-Streaming der 1., 2., und 3. Natur: Die Gegenwart dauert 3 Sekunden. Beiträge sollen als generierter Content die erste, zweite und dritten Natur differenzieren.
1. Natur: Unbelebte Materie, zB. Wasserstoffharmonien, Quantenrauschen, thermisches Rauschen.
2. Natur: Organische Soundquellen. zB. Käfer (Rice-bug Streaming), Wurzelrauschen
3. Natur: Der Algorithmus: Seit Beginn des Techno ist der Algorithmus in der Musik ein wichtiger
Bestandteil geworden. Es geht um interaktive Loopfunktionen und programmiertechnisch wiederkehrende Rhythmen der Algorithmen. Diese komplexen Streams einer 1., 2. und 3. Natur sollen bearbeitet und in mehreren Varianten gestreamt werden.

Quasikunst: Core, Content, Kontext und Wahrnehmung

Quasikunst ist eine der kontinuierlichen Research-Schienen der Stadtwerkstatt. Hier wurden in den
letzten Jahren verschiedene Projekte im Haus entwickelt und produziert, bzw auch externe
Künstlerinnen eingeladen. In Reflexion dieser Schiene wurde zuletzt eine Publikation fertiggestellt, die 2021 unter dem Titel »STWST Deep Art Contexts / QUASIKUNST« präsentiert wird. 2021 geht es aber darüberhinaus um Fragen nach einer anderen Art von Form und Content, Wahrnehmung, Technologie und Bewusstsein. Dazu werden Ansätze eines »anderen« Scriptings oder auch ein Nachleuchten-Gegenwelt-Kino entworfen. Wesentlich sind hier eine Beschäftigung mit Körper, Sprache und Technologie, bzw die Grundsatzfrage, welche Arten von Form und Content überhaupt geeignet sind, um im volldigitalisierten Modus nicht reduktiv zu wirken, sondern in etwas übergehen, was im Technologiekontext oft als »immersiv« bezeichnet wird. Gerade im Digitalisierungsschub müssen inmitten abgeflachter Contents und sich verengender Formate Perspektiven offengehalten werden. … … Das ist eines von mehreren Quasikunst-Projekten dieses Jahr:

Nik, oder: It‘s the content, stupid: Dies ist ein getextetes Content- und Wahrnehmungsprojekt, ein Scripting, das inhaltlich mit fragmentarischen Texterstellungsmethoden arbeitet und dann in eine Programmierung von Tags und Videosequenzen mündet (Wörter, Satzfragmente, Körper, Movement). Dieses Projekt setzt auf die Beschäftigung mit Sprache und Körper als erste Medien auf – und arbeitet dementsprechend mit erweiterten literarischen Formaten, die in eine Techno-Zukunft weisen (»SF-Exploitation«) und Fragen nach Bewusstsein aufwerfen (Körper im Reduktionsmodus). Dies inkludiert abstrakte Technologiekoordinaten um Wahrnehmung in Frage zu stellen, bzw Wahrnehmung als anderen Bewusstseinsmodus zu schulen – durch einen Content dieser Erzählung, durch gepulste Tags von Worten, Satzteilen und diverses Andere.

Donautik/Eleonore

Donautik ist Forschung an der Peripherie. Gerade in Zeiten wie diesen ist es notwendig, die grundlegenden Fragen aus einer weitestmöglichen gedanklichen Entfernung zu stellen – und sich in physische Distanz zu setzen: Wasser, Natur, Information, Kreativität, Peripherie und Untergrund sind Komponenten dieser Überlegungen. Die Stadtwerkstatt setzt auf dem energieautarken Schiff Eleonore Projekte um, bzw lädt KünstlerInnen und Gäste dorthin ein. Die Eleonore ist seit 2018 in der Traun, im Mündungsbereich zur Donau, verankert.

ESSDC - Eleonore »STILL St(D)reaming« Dawn Concerts: 2021 finden in Anlehnung an die »Less Streams« von STWST48x6 im Vorjahr auf dem Messschiff Eleonore Streaming-Konzerte im Morgengrauen statt. Als Gegenkonzept zum Stream als Ersatzort begeben wir uns voll und ganz in den Strom und beschäftigen uns mit der Streambarkeit des Werkes und der Unstreambarkeit des Raums. Zwischen Umspannwerk und der strömenden Traun nutzen wir die ersten Sonnenstrahlen und lassen die Strömung den Sound hinaustragen. PANTA RHEI – ALLES STREAMT!

ESSDC #1 feat. Untergrundel Audiovision: Den Besucher*innen des STWST48x6 Festivals sind »Untergrundel Audiovision« dank ihrer dystopischen Live-Flussvertonung nicht unbekannt. Spätestens, wenn man erfährt, dass hinter dem Namen die (Lokal-)Matadore Electric Ray & Ape Lee stecken, läuten die (Aal-)Glocken. Ihr Auftreten ist für einen Auftakt der ELEONORE »STILL ST(D)REAMING« DAWN CONCERTS mehr als prädestiniert. Anders als im vergangenen September, als sie die Unterwasserwelt der Traun vor einem - durch Mindestabstand getrennten - Publikum vertonten, rücken die menschlichen Zuhörer*innen diesmal in die zweite Reihe. Hauptpublikum sind die Bewohner*innen der Traun selbst. Pünktlich um 06:20 zu Sonnenaufgang startet die Livestream-Vertonung von der Eleonore aus. Für die Fische (& Krebse)! – im Zweikanalton (Unter- & Überwasser). Erster Termin und mehr Infos: siehe nebenstehend!

DeckDock

Als DeckDock wird seit 2008 der Bereich der Donaulände unterhalb der Nibelungenbrücke bezeichnet, wo Projekte der STWST stattfinden. Auf diesem schmalen Wildwuchs-Streifen an der Donau, mitten im Zentrum der Stadt, wurden immer wieder Kunstformate entwickelt, bzw wurde das Areal auch fallweise in Ausstellungen thematisiert.

Notnoponton ff: Ein Teil der STWST-Lände wird mit einem bespannten Bauzaun abgegrenzt. Es wird ein Environment mit Ortspezifikation aufgebaut, das Bezug auf vorangegangene Natur-, Wildwuchs- und Neuland-Projekte der Lände nimmt. Ein offener Prozess beginnt: Dieser inkludiert Versatzstücke vorangegangener Projekte, die Materialien des Flusses und der Lände und sucht die Verbindung mit dem physisch und sozial vorhandenen urban-ruralen Zonen an der Donau. Das Areal hinter dem Bauzaun verschwindet und wird gleichzeitig »privater«, ist aber dennoch semitransparent einsichtig und kann geöffnet und verwendet werden. Bietet Platz für Diskurs und Analyseprozesse. Der Bauzaun kann modular und temporär auch als Projektionsfläche, Leinwand oder Raumtrenner usw. verwendet werden.

Still Shining - Bringen wir den Stadtraum zum Scheinen: Eine scheinbar begrenzte Fläche im öffentlichen Raum der scheinbaren Natur mitten in der Stadt wird fallweise mit Licht »beschienen«: Mit einem »Still Shining« wird auf den Umgang mit öffentlich-kollektiven Zonen, bzw auf den Umgang von Politik und Gesellschaft mit diesen Bereichen verwiesen, oder auch auf den Strahlzwang, sprich die Lichtkonzepte der Institutionen, bzw überhaupt auf die städtischen Umgestaltungspläne des Donauraumes. Und: Es wird auf die Kunst an der Lände und die STWST im Speziellen verwiesen, die sich ins sensorische Twighlight des Stadtraums begeben.

DHM – Data Harvesting Machine: Daten sind das Gold unserer Gesellschaft. Mit fortschreitender Digitalisierung unseres Alltages nimmt die Erhebung noch so unwichtig erscheinender Werte einen großen, wichtigen Platz ein. Wir transferieren diesen Trend auf die städtisch-rurale Zone des DeckDocks, des schmalen Streifens Wildwuchs- und Donauländenbereiches vor der Stadtwerkstatt. Alles Gesehene und Wahrgenommene wird notiert. Die Data Harvesting Machine ist dabei ein mit Sensoren ausgestatteter und auf der Lände platziertes Daten-Tool-Kit. Aus diesen vorerst zweckfrei erhobenen Daten wird ein Datenset erstellt: Ein Dessert aus in Aspik konservierten Wahrnehmungs-Notizzetteln. Der Platz am Wasser wird als Umgebung erhoben, gespeichert und für neue Interpretationen mittels einer Homepage freigestellt. Der Prozess wird zeigen, was darstellbar ist – und wie die interpretativen Reduktions- und Erweiterungsprozesse laufen werden. Derzeit anvisierte Tags: Helligkeit, Kontraste, Grenzgebiet, Bewegungen, Fließgeschwindigkeit, Protokolle, Wert, Werte, Ja, Nein, Feuchtigkeit, Wachstum, Verderben, Leben, Sterben, Aus. Die Data Harvesting Machine beginnt ab April Daten zu ernten. In einem späteren Schritt werden Klang- und Sound-Artists Soundtransfer damit betreiben.

365 Tage Ausstellung in der STWST

Es ergibt sich aus der besonderen Situation, dass ein von den regulären Veranstaltungen freies Haus als permanent anwachsende Ausstellung betrachtet werden kann. Derzeit geht es um Wandflächen, Objekte und Installationen, die letztes Jahr in verschiedenen Kunstkontexten und Schauformaten gezeigt wurden. Die Situation wächst 2021 kontinuierlich an. Es werden zusätzlich befreundete Artists eingeladen. Ein leeres Haus im leeren Haus: STWST welcomes die Freundinnen der Kunst mit POLLY!

Bild: STWST
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Bild: tanjab
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Notnoponton ff (Bild: JakobB)
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