Der letzte linke Kleingärtner, Teil 15: Wie Amseln meine Feinde wurden

Nichts als Bohnen. Da hüpft das Herz des letzten linken Kleingärtners ausgelassen vor Freude. Ich ernte Bohnen wie seit Jahren nicht mehr. Alle paar Jahre gibt es ein sogenanntes »Bohnenjahr«. Stangen- und Buschbohnen reifen en masse, dies gleich kiloweise und unsereiner kommt mit dem Ernten kaum hinterher. Stangenbohnen ranken dabei gefühlt täglich mehrere Zentimeter die glatten, dünnen Fichtenstangen hinauf, sodass ich zur Ernte eine Stehleiter brauche. Wer von uns kommt schließlich ohne Hilfe auf eine Höhe von 2,5 bis 3,5m? Eine weitere Schwierigkeit wird bald dazukommen. Da ich die Stangen tief in die Erde hinein stecke, was zwar die einfachste und schnellste Methode des Aufstellens ist, statt sie schräg gegeneinander zu stellen und oben festzubinden, verschaffe ich mir Jahr für Jahr selbstbestimmt ein Problem: Wenn sie ordentlich mit Kraut bewachsen sind und die Bohnen reifen, knicken einige Stangen um und ich muss diese durch weitere Stangen stützen. Die neue Stange verbinde ich durch ein Seil mit der Beschädigten. Das sieht zwar nicht vorschriftsmäßig aus, hält aber bis zum Ernteende. Ich schwöre mir jedes Mal, dass ich im nächsten Jahr die andere Methode wählen werde. Aber wie das so ist bei mir mit dem Schwören, die gewollte Vergesslichkeit frisst jeden Schwur. Denn fürs Schwören gleich welcher Art, ob im Privaten oder auf der nationalen Ebene, bin ich nicht gebaut. Schwüre aller Art können mir den Buckel runterrutschen. Jedenfalls hat es dieses Jahr in meiner Region konstant geregnet und war die letzten Wochen recht warm. Das ist ideal für Bohnen. Sobald die Ernte beginnt, kann man wochenlang täglich ernten. Die Bohnenschoten früh zu ernten, ergibt Sinn, denn so bekommt die Pflanze das Signal, für den Erhalt ihrer Art weitere Schoten zu produzieren.

Bei der Wahl der angebauten Sorte hat man zwar eine große Auswahl, legt sich als Kleingärtner aber auf ein bis zwei fest, die Erfolg bringen. Bei mir ist es »Stuttgarter Neckarkönigin«, eine alte und bewährte Sorte, die ich auch unter dem Aspekt der Ertragssicherheit jedes Jahr anbaue. Den Samen für die Aussaat im nächsten Jahr stelle ich mir selbst her, indem ich ein paar Schoten auswachsen lasse und die Bohnensamen dann zu Hause trockne.

 

 

Als Buschbohne baue ich bevorzugt die Sorte »Delinel« an. Sie produziert feingliedrig lange Bohnenschoten und ist geschmacklich ein einziger Genuss. Bohnen in Speck gerollt, wem dabei nicht das Wasser im Munde zusammenläuft, ist ein Kostverächter vor dem Herrn und soll sich mit Fast Food begnügen. Er oder sie hat nicht mehr verdient.

Was sich jetzt so locker schreiben lässt und die Geschmacksnerven der Leser_innen in Ekstase versetzt, hatte einen schwierigen Start. Bei Pflanzen ist es wie bei Babys. Je kleiner, je mehr Zuwendung von Mama und Papa – ich bin als letzter linker Kleingärtner Mama und Papa in einem – brauchen sie. Wenn die Bohnen im Mai oder Juni zu keimen beginnen, ziehen sie ihre Fressfeinde an: Nacktschnecken. Da gibt es nur eins, man muss jeden Tag in die Bohnenbeete und die Schnecken in die ewigen Jagdgründe senden. Theoretisch ist alles klar, aber auch für einen linken Kleingärtner gibt es jede Menge Erklärungen, die tägliche Schneckenjagd ausfallen zu lassen: Der Rücken, das Kreuz, Morgen ist auch noch ein Tag, es regnet, ich habe so viel zu tun. Um Ausreden, ist unsereiner nie verlegen. Die Folgen sind schrecklich, da ich damit meine Pflanzenbabys sprichwörtlich den Schnecken zum Fraß vorwerfe. Es kam, wie es kommen musste: Die Bohnenbabys gingen perfekt auf und wurden sofort das Opfer von Schnecken. Ich musste dreimal nachlegen, bis genügend Bohnenpflanzen die Schneckenfront durchbrachen und sich nach oben räkelten.

 

Der Feind in meinem Kleingarten: Turdus merula (Bild: Musicaline (CC BY-SA 4.0))

 

Dabei lernte ich in diesem Jahr neue Fressfeinde kennen: Amseln. Wie das? Die singen doch so schön und sind so lieb und wir freuen uns doch über Vögel im Garten. Das ist wohlfeiles Geraune von Ökos in den Städten. Die schwarzen Vögel rupften mir meine zarten, hilflosen Bohnenbabys aus dem Boden, nachdem sie etwa fünf Zentimeter hoch waren. In mir kroch eine geradezu bestialisch anmutende Wut hoch, die mich von der Zerstörung dieser Fressfeinde träumen ließ. Wenn ich hier wahrheitsgemäß notieren würde, welche Phantasien von Artilleriegeschossen mir durch den Kopf waberten, mit denen ich das Drecksvieh von Amseln zertrümmern und abschießen würde, ich bekäme postwendend intellektuelles Einreiseverbot in die Welt des österreichischen geistigen Adels. Garantiert. Ihr, meine lieben Leser und Leserinnen, Ihr habt mich verstanden und leidet mit mir. Danke, ich zähle auf Euch und Eure Anteilnahme.

Drei Praxistipps:

1. Bohnen mit Speck ummantelt und gebraten sind ein Genuss.
2. Lass ein paar Bohnenschoten ausreifen und du hast Saatgut für das nächste Jahr.
3. Wenn Amseln dir deine Bohnenbabys aus der Erde reißen, sind sie deine Feinde. Attacke.

Roland Röder ist Geschäftsführer der Aktion 3.Welt Saar e.V. (www.a3wsaar.de), einer allgemeinpolitischen NGO in Deutschland, die bundesweit arbeitet, u.a. zu Landwirtschaft, Asyl, Migration, Islamismus, Antisemitismus, Fairer Handel. Er mag den Begriff „Hobby“ nicht und lebt einen Teil seines Lebens als aktiver Fußballfan. Die Gartenkolumne erscheint auch in der Luxemburger Wochenzeitung WOXX .