Himmlische Müllabfuhr

Gedanken über Technik und Utopie in Zeiten des Geoengineerings. Von Maximilian Hauer.

An der Wende zur Neuzeit begründet Thomas Morus mit seiner 1516 erschienenen Utopia ein neues literarisches Genre. Vor dem Hintergrund der aufziehenden bürgerlichen Gesellschaft entwickelt Morus in seinem Text Grundzüge einer idealen Gesellschaftsordnung, die sich sowohl von den frühkapitalistischen Umwälzungen seiner Zeit, als auch von überkommenen religiösen Heilsvorstellungen abhebt.

Im Unterschied zum Reich Gottes der kirchlichen Orthodoxie liegt Morus‘ Idealstaat nicht in einem transzendenten Jenseits. Vielmehr entwirft Utopia eine innerweltliche, säkulare Heilsvorstellung. Es handelt sich um einen fiktiven Reisebericht, der sich der Schöpferkraft eines selbstbewussten Autors verdankt, ohne die Autorität der Tradition für sich beanspruchen zu können.

Obgleich der Text uns nicht in ein übernatürliches Jenseits führt, lädt er uns doch ein, den Horizont der gegenwärtigen gesellschaftlichen Wirklichkeit zu überschreiten – und zwar im zweifachen Sinne. Die Imagination öffnet einen Raum, der jenseits des lebensweltlich Erfahrbaren liegt. Innerhalb dieses Vorstellungsraums wird das Andere wiederum im Modus des Raums, nämlich als geographisch entlegener Ort vorgestellt. Utopia ist eine Insel, mehr noch jedoch ein irrealer Un-Ort, so die wörtliche Übersetzung des Griechischen Utopia.

Die geographische Fremdheit bietet dem Autor eine geeignete Kulisse, um eine fremdartige gesellschaftliche Ordnung zu beschreiben, die sich gegen jene Tendenzen richtet, die seinerzeit die englische Gesellschaftsordnung umwälzten. Berühmt sind vor allem die satirischen Passagen im Anfangsteil des Buches, in denen Morus menschenverschlingende Schafe schildert, die nun das Land bevölkern, die Bauern von ihrem Boden vertreiben und mit ihrer Wolle die Taschen von Klerus, Adel und anderen gierigen Edelleuten füllen.1 Es ist die Darstellung einer verkehrten Welt, in der sich die Ausweitung der kommerziellen Schafzucht zum Zweck einer exportorientierten Textilindustrie widerspiegelt.

Die »Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära«2 hebt an mit der sogenannten ursprünglichen Akkumulation des Kapitals, mit der Verwandlung des bäuerlichen Gemeineigentums in kapitalistisches Privateigentum und der Schaffung einer Klasse doppelt freier Lohnarbeiter. In dieser modernen Klassenspaltung liegt die wesentliche Bedingung für den take off des Kapitalismus in den kommenden Jahrhunderten, der ersten Produktionsweise, die auf einer permanenten Revolutionierung der materiellen Lebensproduktion beruht. Diese geschichtliche Bewegung wälzt fortwährend die Arbeitsteilung, die Produktivkräfte und die Bedürfnisse um.

Demgegenüber entwirft Utopia eine radikal egalitäre, agrarische Idylle, die auf einer Abschaffung des Privateigentums beruht, weil es das Gemeinwesen auflöst, der Gerechtigkeit zuwiderläuft und die menschliche Seele verdirbt. Der Urtext des Genres sperrt sich somit gerade gegen die »fortschrittlichen« Tendenzen seiner Zeit. Wie Max Horkheimer schreibt, sind die großen Utopien der Renaissance »der Ausdruck der verzweifelten Schichten, welche die Unkosten des Übergangs zwischen zwei Wirtschaftsformen zu tragen hatten.«3 In ihnen verschränken sich konservative und visionäre Motive, eine Konstellation, die sich bis in romantische Strömungen des Sozialismus forterbt. So orientieren sich etwa William Morris‘ utopische Kunde von Nirgendwo an einem kunsthandwerklichen Ideal gesellschaftlicher Produktion.

Unklar bleibt im utopischen Denken, welcher Weg von der Gegenwart zu jenem anderen Ort führen mag, welches gesellschaftliche Subjekt die Vernunftwahrheit der Utopie verwirklichen soll. Die Utopie erweitert den Vorstellungsraum einer Kultur und gibt ihr eher einen kritischen Maßstab zur Bewertung als politische Handlungsanweisungen zur Veränderung der Wirklichkeit an die Hand.

Im räumlichen Denken der Utopie führt kein Weg von der schlechten Gegenwart in das Nirgendwo des ganz Anderen. In der Geschichtsphilo-sophie ist die Gegenwart der Knotenpunkt einer vorwärtstreibenden Geschichte. Die Utopie wird Zukunft, sie ist keimhaft in der Geschichte als ihr Telos enthalten. Das Ideal wird nach und nach verwirklicht, wenn auch hinter dem Rücken der lebendigen Individuen. Die weitere Entfaltung der Technologie spielt dafür eine wesentliche Rolle, weshalb es sich etwa das berühmte Enzyklopädie-Projekt der französischen Aufklärer zur Aufgabe machte, alle relevanten Kenntnisse über die mechanischen Künste zu sammeln, zu verschriftlichen und zu veröffentlichen, um sie so dem general intellect zugänglich zu machen.4 

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Die wirkliche Geschichte der kapitalistischen Epoche verlief freilich weitaus weniger rosig und Wissenschaft und Technologie spielten eine äußerst zwielichtige Rolle in ihr. Eingespannt in das System der Plusmacherei gaben sie die Mittel zu einem Zweck her, der weitaus profaner war als die aufklärerische Idee einer universellen Vervollkommnung der Menschheit. Wie Marx im Kapital ausführlich zeigt, bietet jede Verbesserung der Maschinerie der Eigentümerklasse neue Mittel zur effizienteren Ausplünderung und Beherrschung der Arbeiterinnen im Produktionsprozess. Wenn er von technischem Fortschritt spricht, dann durchweg mit polemischer Schlagseite. So heißt es etwa mit Bezug auf die Landwirtschaft, »jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit.«5 

Friedrich Engels warnte daher hellsichtig vor der Selbstbeglückwün-schung der Zivilisation angesichts einer augenscheinlich immer festeren Beherrschung der Natur. Denn diese Herrschaft stellt sich auf lange Sicht häufig als trügerisch heraus, wenn die nicht-intendierten Folgen bestimmter technologischer Innovationen zu Tage treten, wie wir es derzeit in der Klimakatastrophe erleben: »Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben.«6 

Dabei handelt es sich einerseits um ein grundsätzliches Problem des Handelns, das nie unter der Bedingung einer erschöpfenden Kenntnis aller (ökologischen) Wechselwirkungen stattfinden kann, die die eigene Tat am Ende gezeitigt haben wird. Doch die ungeplante, kurzsichtige und unkoordinierte Art und Weise, in der die Veränderung der stofflichen Welt unter kapitalistischer Maßgabe vonstatten geht und die verlockende Aussicht, in der Konkurrenz durch die Anwendung neuer Technologien Extraprofite einzuheimsen, hintertreiben das Prinzip Verantwortung ebenso systematisch wie die Möglichkeit, sich Gewinne privat anzueignen, während man die im Produktionsprozess anfallenden Abfälle in die Allmende kippt – wie etwa all das CO2, das in 200 Jahren industrieller Revolution in die Atmosphäre geblasen wurde.

In Reaktion auf diese widersprüchliche Entwicklung kristallisieren sich zwei gegensätzliche ideologische Positionen heraus, die Marx in den Grundrissen als bürgerliche einerseits, als romantische andererseits charakterisiert. Während die bürgerliche sich trotz allem direkt apologetisch zum wissenschaftlich-technologischen Fortschritt verhält, sehnt sich die Romantik zurück nach der ursprünglichen Fülle ursprünglicher Gemeinschaften, die jener Fortschritt zerstört hat. Beide Ansichten sind Marx zufolge »lächerlich« und haben sich in ihrer Einseitigkeit gegenseitig verdient, so dass die romantische Ansicht die bürgerliche Gesellschaft »als berechtigter Gegensatz (…) bis an ihr seliges Ende begleiten [wird]«.7 

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Diese ideologischen Alternativen strukturieren noch immer die Auseinandersetzung um die wissenschaftlich-technologische Entwicklung, nicht zuletzt auch hinsichtlich der Antworten auf die Klimakatastrophe der Gegenwart. Für die Krisenlösungsstrategie des liberalen Zentrums, das diese Katastrophe immerhin nominell anerkennt, spielen neue technologische Innovationen eine zentrale Rolle. Durch neue Technologien soll es möglich sein, wirtschaftliches Wachstum von Emissionen zu »entkoppeln« – und so den Imperativ kapitalistischer Akkumulation ebenso wie die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Zudem preisen viele Klimamodelle ab den 2030er Jahren »Negativemissionen« großzügig ein, obwohl die meisten entsprechenden Technologien noch in den Kinderschuhen stecken – eine Wette auf den Erfindergeist. Man bewegt sich hier auf dem Feld des sogenannten Geoengineerings.8 Unter diesem Begriff, der seit den 2010er verstärkt in der öffentlichen Debatte auftaucht, verbirgt sich eine Palette unterschiedlichster Klimainterventionen, die sich wesentlich in zwei Gruppen unterscheiden lassen.

Eine erste Gruppe zielt darauf ab, die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre zu verringern (1.). Die Ansätze der ersten Gruppe lassen sich weiter unterscheiden in sogenannte »natürliche« Mittel (1.1), die die Eigenschaft von Böden, Algen oder Bäumen nutzen, als Kohlenstoff-senken zu dienen und dementsprechend geeignete Pflanzen züchten und Ökosysteme designen, um etwa gigantische Aufforstungsprojekten zu Land und in den Ozeanen durchzuführen; und »technologische« Mittel (1.2) im engeren Sinne, bei denen es darum geht, CO2 direkt aus der Atmosphäre zu saugen. Der derart aus der Luft abgebaute Rohstoff soll dann entweder als Material für mannigfache neue Verbrauchsgegen-stände dienen (1.2.1), oder als industrieller Hilfsstoff (1.2.2) eingesetzt werden (etwa für das effizientere Auspumpen weitgehend erschöpfter Ölfelder…). Die eigentlich klimarelevante Nutzungsmöglichkeit (1.2.3) dieser Kohlenstoffdioxid-Technologie bestünde jedoch darin, das gefangene CO2 dauerhaft aus dem überirdischen Kohlekreislauf (und insbesondere aus den Produktionsabläufen der fossilen Industrie) zu entfernen, und in unterirdischen geologischen Depots zu speichern (Carbon Capture and Storage, CCS). Dies kann wiederum im gasförmigen Zustand geschehen (1.2.3.1) oder – nach einer technisch beschleunigten Verwitterung im großen Stil – in Gesteinsform (1.2.3.2). Die Mengen, um die es dabei gehen soll, sind gewaltig und bewegen sich im Maßstab etlicher Milliarden Tonnen CO2 jährlich.

Eine zweite Gruppe (2.) sucht nach Wegen, die Menge der Sonnenstrahlung zu reduzieren, die die Erdoberfläche erreicht, etwa durch das Versprühen von Aerosolen wie Schwefeldioxid in der Stratosphäre mit eigens dafür ausgestatteten Jets. Durch diese absichtliche Luftverschmutzung soll eine Schutzhülle geschaffen werden, die mehr Sonnenlicht ins All zurückreflektiert, als gegenwärtig der Fall ist, um die Erdoberfläche auf diese Weise zu kühlen.

Mitunter werden solche Ansätze als utopisch oder technoutopisch bezeichnet. Doch das ist irreführend, wie die Umweltforscherin Holly Jean Buck in ihrem Buch After Geoengineering schreibt. Denn schon das Nachdenken über sie zeugt davon, dass die Prävention versagt hat und versäumt wurde, Emissionen rechtzeitig zu senken. »Das ist der Punkt, an dem wir stehen: schon ein bloßes Durchwurschteln erscheint als bewundernswerte gesellschaftliche Heldentat, die nur mit großem Glück Erfolgsaussichten hat, so dass die Leute ein mögliches Gelingen dieser aufwendigen Unternehmung als fantastischen, utopischen Traum wahrnehmen.«9 

Im Vergleich zu den klassischen Utopien etwa eines Thomas Morus fällt die Armut sozialer Phantasie auf. Den Utopisten ging es darum, eine andere gesellschaftliche Ordnung vorstellbar zu machen, die auf anderen Eigentumsverhältnissen beruhte, die gesellschaftlich notwendige Arbeit anders organisieren würde und nicht zuletzt eine ganz andere Lebensform hervorbrächte: eine neue Kultur, in der andere Werte gälten, neue Bedürfnisse und Beziehungsweisen entstünden. Geoengineering steht dagegen eher für das Versprechen der Stabilisierung einer krisenhaften Ordnung. Es ist die smarte Solution, der quick fix, der dafür sorgt, dass der Laden weiterläuft und ansonsten alles beim Alten bleibt.

Insofern haben technikskeptische – oder: romantische – Stimmen recht, die nicht eine Verschiebung des Problems in die Zukunft monieren, sondern auch auf die dubiosen wirtschaftlichen Interessen hinweisen, die mit vermeintlich grünen Technologien verbunden sind. So findet Carbon Capture and Storage heute hauptsächlich innerhalb der fossilen Energieindustrie Verwendung, um bei der Verstromung von Kohle anfallende Emissionen abzuspalten und einzufangen, bevor sie in die Atmosphäre gelangen – um sie dann etwa, wie beschrieben, zur Ausbeutung von Ölfeldern zu verwenden. Der Vorwurf des Greenwashing liegt nah. Vor allem sind die Befürchtungen bezüglich der zerstörerischen »Nebenwirkungen« grüner Technologien auf Mensch und Natur ernst zu nehmen. Wie ökomarxistische Autoren herausgearbeitet haben, reagieren kapitalistische Gesellschaften auf einen ökologischen Riss (Rift) häufig lediglich durch eine ad-hoc-Verschiebung (Shift) auf neue Territorien, Ressourcen oder Technologien, durch die jedoch neue ökologische Krisen entstehen.10 Die Erschließung der europäischen Kohlevorkommen war nicht zuletzt eine Antwort auf die vorangegangene extreme Entwaldung vieler Landstriche. Heute hinterlässt die »grüne« E-Mobilität in den Abbaugebieten seltener Erden verseuchte Landschaften, flächenintensive erneuerbare Energien und Biokraftstoffe gehen mit Landraub einher und solares Geoengineering könnte die Fähigkeit von Pflanzen zur Photosynthese beeinträchtigen. Es verwundert kaum, dass gerade das solare Geoengineering mit seinen Höhenflügen zu einem Symbol menschlicher Hybris geworden ist.

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Dass das utopische Potential des Geoengineerings für sich genommen gering zu veranschlagen ist, ist kein hinreichender Grund, um alle darunter verhandelten Technologien pauschal abzulehnen. Holly Jean Buck schlägt etwa vor, Carbon Capture and Storage mit anderen Augen zu sehen. Diese Technologie sollte weniger als Beweis menschlicher Grandiosität, sondern eher als dringend benötigte planetarische Müllabfuhr betrachtet werden: Institutionen, Infrastrukturen und Tätigkeiten, die die Atmosphäre pflegen und somit das Gemeingut erhalten, von dem wir in mehr als einer Hinsicht abhängen: nicht nur für die Luft zum Atmen, sondern auch aufgrund der regulatorischen Funktion, die sie für den Strahlungshaushalt der Erde und damit für das Klima spielt.

Carbon-capture Technologie in Verwendung bei einer Kohlenmine (Bild: Peabody Energy, Inc. (CC BY 3.0))

Die von Menschen verursachte, aber nicht-intendierte chemische Neuzusammensetzung der Atmosphäre ist schon heute viel zu weit fortgeschritten. Ein Peak der Emissionen ist nirgends in Sicht, geschweige denn ein Rückgang der Emissionen. Und selbst wenn es gar keine Emissionen mehr gäbe – was beim heutigen Stand der Technik in weiter Ferne liegt, da etwa die fossilfreie Stahlproduktion bislang nur in Pilotprojekten gelingt –, würden große Teile der bisherigen CO2-Emissionen des industriellen Zeitalters noch für eine sehr, sehr lange Zeit in der Atmosphäre bleiben und so die Lebensbedingungen auf der Erde bestimmen: von dem CO2, das wir 2022 ausstoßen, werden sich im Jahr 3022 voraussichtlich noch etwa 15–40 % in der Atmosphäre befinden.

In Anbetracht der Tatsache, dass die desaströsen Wirkungen dieser Modifikation sich bereits heute tausendfältig geltend machen, wird kaum ein Weg an enormen, technologisch gestützten Klimainterven-tionen vorbeiführen, deren Praktikabilität im Weltmaßstab freilich noch in den Sternen steht. Sicher ist allerdings auch, dass Geoengineering-Technologien kein neutraler Ausdruck praktischer Vernunft sind, wie 
die postideologische Ideologie gerne weismachen möchte. Denn »Produktivkräfte erscheinen immer nur durch den Filter der herrschenden Produktionsverhältnisse hindurch.«11 Denn die Produktivkräfte sind ein historisch entwickeltes Gattungsvermögen, das nicht mit den empirisch vorhandenen Produktionsmitteln identifiziert werden darf, wie sie heute in den Fabriken steht. Unter dem Regime der entfremdeten Arbeit haben die Produzentinnen keine Kontrolle über die Verwirklichung dieses produktiven Vermögens, bleiben ihnen doch die Zwecke ihres Tuns diktiert, während ihnen die Produkte ihres Tuns vorenthalten werden und sich ihnen als äußere Macht entgegenstellen. So im Falle der Maschinenparks in den Fabriken, die zwar von Lohnabhängigen erdacht und gebaut wurden, ihnen jedoch keineswegs gehören. Vielmehr finden sie sich umgekehrt im Produktionsprozess als Anhängsel der Maschinen wieder.

Diese Verkehrung kommt im grellen Spektakel der Tech-Impressarios à la Steve Jobs oder Elon Musk zu sich, aus deren genialer Erfindungsgabe vermeintlich der technologische Fortschritt fließt, den die Masse passiv bewundern soll. Leider erscheint es keineswegs weit hergeholt, dass solche Figuren bei der Entwicklung und Kontrolle relevanter planetarischen Technologien ein Wörtchen mitsprechen werden.

Utopisches Denken sollte nicht an den Technologien ansetzen, die weder die Wurzel der ökologischen Übel darstellen, noch die Patentmittel zu ihrer Behebung bereithalten. Anstatt dieser Verdinglichung anheimzufallen, gilt es darüber nachzudenken, wie eine kollektive Wiederaneignung der enormen produktiven Kräfte der Gattung gelingen könnte, die heute für zerstörerische und dabei völlig bornierte Zwecke wirken. Die Utopie bestünde also weniger in der schieren Potenz, die sich darin ausdrückt, riesige Energieströme antreiben zu können, als darin, demokratisch, bewusst und wohl überlegt die Zwecke setzen zu können, zu denen solche Mittel in Bewegung gesetzt werden. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer planmäßigen Kontrolle des gesellschaftlichen Stoffwechselprozesses mit der Natur ergibt sich dabei nicht zuletzt aus dem ökologischen Bewusstsein um die Unmöglichkeit, die komplexen Systeme der Natur vollständig in all ihren Wechselwirkungen zu verstehen und zu kontrollieren.

[1] Vgl. Thomas Morus: Utopia. Herausgegeben von Jürgen Teller. 5. Auflage. Leipzig 1976, S. 22.
[2] Karl Marx: Das Kapital. Band 1, MEW 23, S. 779.
[3] Max Horkheimer: Die Anfänge der bürgerlichen Geschichtsphilosophie. In: Gesammelte Schriften, Band 2. Frankfurt a. M. 1987, S. 237.
[4] Vgl. Günther Mensching: Die Enzyklopädie und das Subjekt der Geschichte. In: Jean Le Rond d’Alembert. Einleitung zur ‚Enzyklopädie‘. Herausgegeben und mit einem Essay von Günther Mensching. Frankfurt a. M. 1989.
[5] Marx, a.a.O., S. 529. 
[6] Friedrich Engels: Dialektik der Natur. In: MEW 20, S. 452f.
[7] Karl Marx: Ökonomische Manuskripte 1857/58. [Grundrisse]. In: MEW 42, S. 95f. 
[8] Die Ausführungen zum Geoengineering beruhen im Wesentlichen auf Holly Jean Buck: After Geoengineering. Climate Tragedy, Repair, and Restoration. London / NYC 2019.
[9] Ebd., S. 34. 
[10] Vgl. John Bellamy Foster / Brett Clark / Richard York: The Ecological Rift. Capitalism’s war on the earth. NYC 2010, S. 73ff.
[11] Raasan Samuel Loewe: Proletarische Bewegung und Produktivkraftkritik. In: Kosmoprolet Nr. 3 (2011), S. 174.

Holzschnitt der Karte Utopias aus einer von Johan Froben gedruckten Ausgabe (1518). (Bild: Universitätsbibliothek Basel (CC BY-SA 4.0))