Journalistischer Katechismus

Der Journalistische Katechismus ist eine Handreiche für all jene, die dauernd irgendwas mit Medien machen und darum keine Zeit haben, Machiavellis Il Principe zu lesen. Deshalb erscheint er auch häppchenweise in Serie.

Siebentes Hauptstück: Von dem Wege der Vereinigung oder der Konzentration publizistischer Marktmacht.

Was ist der Weg der Vereinigung? 

Ein Zustand von Mediengruppen, wo sie, durch die vorausgegangenen acquisitions, mergers & spin offs eine vollkommene Einigung mit dem Medienmarkt und innigste Vertrautheit mit ihm genießen. 

Wann geht die Mediengruppe in diesen Zustand ein? 

Sobald sie durch Wirkungen der politischen Gnade dahin gelangt ist, daß sie sich mit nichts als der Ausgestaltung der Marktanteile beschäftigt, und kein Hinderniß mehr hat, das dieser Vertraulichkeit mit dem Markt im Wege steht. 

Wodurch bildet sich dieser Zustand der Einigung mit dem Markt aus? 

Durch die gänzliche Hingebung in die gütigen Hände des Marktes – natürlich nur insofern, als dieser Markt von den Gewährsleuten in Politik und Wirtschaft so ausgestaltet wurde, dass in seinem Schoß alle Sorgen und Ängstlichkeiten abgelegt werden. Den Bedürfnissen der Medienunter-nehmen muss bezüglich Kartellrecht, Regulierung etc. entgegengekommen und die lebendige Flamme durch Brennstoff (Anzeigen) auch 
ordentlich am Laufen gehalten werden. 

Welche Wirkung bringt jene Hingebung hervor? 

Die kalmierende Ruhe, die tröstliche Torpidität, die ein solide verriegeltes System bietet: nachdem die Prokrustesarbeit getan ist – entweder überflüssige Appendizes (Konkurrenzunternehmen) gekappt, oder rechtliche Bestimmungen durch geschicktes Lobbying gestreckt wurden, passt das selbstgemachte Bett just dandy und wehe denen, die das erreichte Triebziel unternehmerischer Nekrophilie (Monopolher-stellung), den perfekten Stillstand, perturbieren wollen. Das sind allerdings die Verrichtungen am Altar, die mit dem Rücken zum Publikum ausgeführt werden – die Vulgata aus dem Evangelium nach Pangloss, die dann letztlich gepredigt wird, besteht natürlich aus der Laudatio an den freien Meinungsmarkt, dessen Flexibilität naturwüchsig zur Bevorzugung jener Mediengruppe geführt hat, die zur Gnade prädestiniert ist, weil sie die knackigsten Stories fabriziert und die größten Hits aus den 30ern, 40ern & 50ern spielt.

Worin besteht die Vertraulichkeit der Mediengruppe mit dem Markt? 

Sie vollzieht auf organisatorischer Ebene jene Nivellierung, Entqualifizie-rung und Entdifferenzierung medialer Darstellungen nach, die sich in der Berichterstattung aufgrund wechselseitiger Rezeption im Modus komplizenhafter Konkurrenz hergestellt hat. Eine betriebsbedingte Konformität, in der die Zunft wie mit einem Mund Luft holt, um dann aus vollen Nüstern gleichartige Molekülströme auszustoßen, deren Elemente in denselben Contentschmieden gefertigt wurden (weshalb bei den Eingabegeräten in den Redaktionen eine Ausstattung mit den drei 
Tasten Strg, C & V vollauf genügt). In den Monopolbetrieben geht dieser Vorgang streng koordiniert und dirigistisch vor sich und folgt rührend banalen Interessen (Markteroberung) und Vereinbarungen (Inserate gegen Berichterstattung). 

Hat die Mediengruppe in dem Zustande der Einigung keine andere besondere Gemeinschaft, als mit dem Markt? 

Der Markt selbst scheint uns im Evangelium nach Pangloss eine gewisse edlere Vertrautheit des Medienunternehmens mit der allerheiligsten Dreifaltigkeit (absteigend nach Bedeutung: Werbebuchungen, öffentliche Förderungen, Verkaufserlöse) anzudeuten, indem er sagt: Wir werden zu ihm kommen, und Wohnung bei ihm machen. 

Welche Wirkung macht diese so ausgezeichnete Gabe? 

Sie wirket eine gewisse Umgestaltung des Medienunternehmens im Markte – und umgekehrt, da sie eins geworden sind: Da wir die Glorie des Cournotschen Punktes beschauen, werden wir von Klarheit zu Klarheit umgestaltet in eben dasselbige Bild wie vom Geiste des Angebotsmono-pols. Der Medienmarkt wird in dieser Wirkung der Gnade auf eine gewisse, sonderheitliche Weise ein Ebenbild des Unternehmens durch die höchsten in sie gesetzten politischen Anstrengungen derer, die einerseits die Gnade seiner Produkte nicht verlieren möchten und es zugleich sehr praktisch finden, sich lediglich gegenüber einer überschaubaren Zahl an »News Outlets« – je nach Inseratenlage – erklären zu müssen oder auch nicht. In diesem exklusiven Erlös(ungs)maximum haben sich alle hyggelig eingerichtet, wenn auch der Markt weiterhin gelegentlich Mehrfachbindungen oder Wettbewerb predigt. Sie durchdringen sich wechselseitig und gleichen sich aneinander an, wie Feuer und Holz, nachdem ersteres letzteren Feuchtigkeit aufgezehrt hat. 

Was wirket diese Umgestaltung noch ferners? 

Sie macht ganz neue und, so zu sagen, zu einem besseren Leben auferweckte Medienmenschen: in hohem Grade waren sie den Bedürfnissen der Eigentümer, Anzeigenkunden und sonstigen Interessengruppen entfremdet und von ganz anderen Begierden und Anmuthungen beseelt (persönliche Profilierung oder gar »Dienst an der Öffentlichkeit«). Sie haben nun erneuerte Seelenvermögen, die vollkommen ausgerüstet sind mit einem Ueberflusse betriebswirtschaftlicher Gnadengaben, von denen die beiden lohnenswerten Teile der Berichterstattung, der kommerzielle und der emotionalisierende, befeuchtet werden. Nicht einmal der Körper geht bei dieser Veränderung leer aus, so daß von da an ein ganz himmlisches Leben geführt wird (Blattgoldschnittchen an der Tafel der Mächtigen). Die Einbildungskraft ist voll übernatürlicher Ideen (Buchverträge, eigene Fernsehshows, PR-Jobs, angemessen dotierte Moderationshonorare…); das Begehrungs-vermögen erhebt sich nur in heiligen Entzücken; der Wille glüht gleichfalls von so großem Eifer, daß sogar der Leib rüstig und gewandt wird, dem biegsamen Geiste folgend. Es gilt nur, auf der Butterseite der Chefetage zu bleiben. 

Wohin zielt denn endlich der bisher geschilderte, so glückselige Zustand? 

Zur bleibenden (habituellen) und genauesten Einigung mit dem monopolisierten Markt, welche so viele Gnaden, eine so große Vertraulichkeit und Zuversicht unzertrennlich im Gefolge hat, daß viele ausgezeichnete Herausgeber keinen Anstand genommen haben, sie eine rentable Hochzeit zu nennen. Zu dieser geheimen und allerinnersten gegenseitigen Mittheilung, unter diesen Umfassungen, welche von lauter betrieblichen Vergnügungen voll sind, kann das Medienunternehmen in höchster Wahrheit vom Markt sagen: Ich gehöre meinem Geliebten und mein Geliebter gehört mir an. 



Das folgende achte Hauptstück handelt von den Versuchungen und Täuschungen, die vom journalistischen Wege abbringen.