Der Ukrainekrieg »feierte« am 24. Februar seinen traurigen Jahrestag. Hoffentlich bleibt es bei dem ersten und es kommen keine weiteren hinzu. Die Hoffnung stirbt zuletzt. In unseren Breitengraden ist es ein weit verbreiteter Reflex, bei Krieg oder anderen beschissenen Ereignissen, die Absage von Festen zu erwägen und/oder moralisierend dazu aufzurufen. Das Argumentationsmuster ist immer das gleiche: Man könne jetzt nicht feiern, wenn andere leiden und mit dem Geld für die ganzen – im Unterton überflüssigen – Feste könne man Nützliches tun. Da schimmert viel Unverstandenes Weltenschmerzgelaber hervor und vor allem eine lustfeindliche Ethik, die manchmal protestantisch befeuert wird. Katholiken sind da meist aus dem Schneider. Die können im Gegensatz zu Protestanten ordentlich auf die Pauke hauen, fressen und saufen im Übermaß. Nur müssen sie es nachher beichten und sich, wenn es dumm läuft, Zeit ihres Lebens mit einem schlechten Gewissen durchschleppen, wofür sie dann fortwährend reichlich monetäre Buße tun. Auch die NGO Firma »Deutsche Umwelthilfe« mit ihren 170 (!) angestellten Mitarbeiter:innen hat es auf die Feierlaune der Spezies Mensch abgesehen und ist zum Jahresende immer schwer empört über das Silvesterfeuerwerk. Die gleiche Umwelt»hilfe« hat aber nur dann Probleme mit dem Feuerwerk, wenn »die breite Masse«, also unsereiner, der einfache Mann und die einfache Frau böllern dürfen. Eine Kritik von dieser NGO-Firma am Feuerwerk der Besserbetuchten bei Klassik-Open-Air-Veranstaltungen und sonstigen regionalen wie nationalen Events ist nicht zu vernehmen. Das würde dem Spendenfluss aufs eigene Konto schaden. Offenbar gibt es gute und schlechte Feuerwerke. Nun gibt es durchaus auch Gründe, vom Feuerwerk an Silvester genervt zu sein. Es ist laut, es erschreckt Tiere, manche meist männlichen Teilnehmer lassen sprichwörtlich »die Sau« raus und inszenieren sich als halbstarke Könige der Straßen und des öffentlichen Raums. Das ist gleichsam unschön wie lästig. Nur hat es diese Art von Jugendkrawallen »immer schon« gegeben, was sie nicht besser macht. Genauso gut könnte man dazu aufrufen, Alkohol, Autofahren, Konzerte und Ähnliches zu verbieten. Selbst in materiell armen Gesellschaften gibt es Zeiten, in denen gefeiert wird und die knappen Güter regelrecht verprasst werden. Offenbar brauchen Menschen das.
Und noch eine unangenehme Tatsache gehört für diejenigen dazu, die anderen gerne vorschreiben, wie sie zu feiern haben: Überall dort, wo Menschen leben, gibt es Feste. Zum Wesen des Menschen gehört in allen Kulturen der Rausch, die Verausgabung und für manche – wie zugegebenermaßen auch für mich - die Freude am Feuerwerk.
Wenn man wegen des Ukrainekriegs Karneval oder andere Arten von Feiern absagen würde, könnte man jede Feier absagen. Immer. Denn immer gibt es irgendwo Krieg, Not und Elend auf der Welt. Das ist Teil der kapitalistischen Realität. Während du diese Kolumne liest, stirbt irgendwo jemand vor Hunger, obwohl genügend Nahrungsmittel vorhanden sind. Rund 800 Millionen Menschen leiden Hunger, obwohl global mehr als genügend zu Futtern da ist. Der Mensch zählt nicht viel. Das lautlose Sterben der Hungernden, das nicht sofort erfolgt, sondern als langsamer, den Körper auszehrenden Prozess, ist medial nicht so gut darstellbar wie Bombeneinschläge in der Ukraine. Mitunter sind die Hungernden noch weiter »von uns« entfernt und noch ein Stückweit mehr anders als die anderen in der Ukraine. Und schwupps wird die Einteilung in gute und richtige versus schlechte und falsche Flüchtlinge vollzogen. Aus kleingärtnerischer solidarischer Sicht ist es klar: Jeder Flüchtling hat ein Recht auf einen sicheren Hafen, egal welche Hautfarbe, egal ob er eine Religion hat oder keine, egal für welchen Fußballverein er zittert und egal wie wenige oder wie viele Ländereien er in seiner Heimat hat und egal wie viel oder wie wenig IT-Kenntnisse er hat. Wer in gute und schlechte Flüchtlinge einteilt, ist ein kleingeistiger Rassist – na ja, Rassisten sind eigentlich per se kleingeistig – und übertüncht dies nur durch ein paar humanitäre Einsprengseln von Spenden, die keinerlei Großzügigkeit und solidarische Grundhaltung übermitteln, sondern lediglich ein neoliberal geprägtes Kosten-Nutzen-Denken.
Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, während der Kleingärtner in mir beginnt, mit den Hufen zu scharren und in Erwartung des nahenden – aber eben noch nicht eingetroffenen – Frühlings die Aussaat von Kartoffeln, Salat, Erbsen, dicken Bohnen, Grünkohl, Mangold, Rote Beete etc. vorzubereiten. Und der Boden will leicht aufgeharkt und mit Kompost versehen werden. Ja, ist ja gut: Das hätte schon im Herbst erfolgen sollen. Aber unsereiner hat noch andere Dinge zu tun, als nun wirklich jede seiner eigenen Vorschriften einzuhalten. Immer locker bleiben.
Drei Praxistipps:
1. Feste muss man feiern, wie sie fallen.
2. Wer in schlechte und gute Flüchtlinge einteilt, ist mein Gegner. Deiner auch?
3. Hopp, Kleingärtner an die Aussaatfront. Es geht wieder los.