In einem Brief an den Politikwissenschaftler Harold Laski formulierte Max Horkheimer 1941 den Gedanken, dass man zwar den Antisemitismus nur aus der Gesellschaft heraus verstehen könne – es ihm aber immer mehr scheine, als könne mittlerweile Gesellschaft selbst nur durch den Antisemitismus richtig verstanden werden. Angesichts global zunehmender antisemitischer Einstellungen und Gewalttaten zeigt sich die anhaltende Aktualität von Horkheimers Überlegungen. Es geht um psychotische Reaktionen auf Krisen und kapitalistische Zumutungen, die aber an christlich tradierten Antisemitismus andocken können. Diesem hat Tilman Tarach sein Buch »Teuflische Allmacht« gewidmet, das Stefan Dietl vorstellt. Natürlich sind auch gezielte Desinformationskampagnen und Propaganda ein Faktor in der Verbreitung des Hasses auf Jüdinnen, Juden und Israel – Léon Poliakovs erstmals auf Deutsch erschienener Essay »Von Moskau nach Beirut« dokumentiert dies eindrücklich, wie Alexandra Bandl feststellt.

Für den austrofaschistischen Ständestaat lassen sich ebenfalls genügend antisemitische Tendenzen konstatieren – anders als bei den Nazis waren jüdische Künstlerinnen und Künstler aber nicht offiziell geächtet, bzw. wurden sogar – wie im Falle Gustav Mahlers – zum kulturellen Aushängeschild. Paul Schuberth analysiert den damaligen Umgang mit den »Tonheroen«.

In absehbarer Zeit werden sich im kulturellen Kanon wohl auch KI-generierte Kunstprodukte finden – beim Cover hat sich die Redaktion deshalb ein »Zusammenwirken« mit zwei Künstler:innen erlaubt, die ihrerseits, wie es oft so schön heißt, ein »neues Zusammenarbeiten« von Menschen und Maschinen thematisieren. Auf dem Cover ist deshalb als »Bildbasis« zu sehen: eine Ausstellungsansicht von S()fia Bragas Präsentation »Felt Cursed, Might Delete Later« im Linzer Atelierhaus Salzamt. Es geht um eine künstlerische Arbeit zu Maschinenblick, AI und zur posthumanistischen Phantasy: Die Ausstellung war bereits im Februar, eine Besprechung von Tanja Brandmayr findet sich in den Innenseiten des Heftes. Über diese Ausstellungsansicht am Cover haben wir quasi als drei offene Fenster drei AI-generierte Bilder von Michael Aschauer gelegt, der sich in seinem Versorgerin-Text auf bildgenerierende KI fokussiert und was deren Verwendung für die Idee des Kunstwerks bedeutet. Patrick Derieg wiederum geht in seinem Text auf die Vorgeschichte von Systemen wie GPT-3 ein und inwieweit für die Entwicklung proprietärer IT nichtkommerzielle Software vereinnahmt wurde. Die politische Dimension von Software und IT-Systemen zeigt sich außerdem in den Texten von servus.at über die Idee des Cloudstrike, sowie von Barbara Eder, die sich anhand der Autobiographie der ehemaligen Nachrichtenanalytikerin Chelsea Manning mit der prekären Situation von Whistle-blower:innen beschäftigt.

Florian Hessel schreibt über einen Graphic Novel zu Frantz Fanon, Till Schmidt über die Psychoanalyse als globales Phänomen und Magnus Klaue zeigt in seinem Beitrag anhand des aktuellen Buches von Sarah Diehl, inwieweit die Verteidigung des Alleinseins konformistische Züge aufweist. Zum 8. März wird es außerdem eine Fülle an Veranstaltungen geben, zu denen sich in dieser Ausgabe Informationen finden, sowie ein Text von Mika Egal und Moritz Pisk zur Wiederaneignung der Clubnacht.

Außerdem noch in eigener Sache: Die finanzielle Situation gestiegener Druck- und Versandkosten, erhöhten Energiepreisen etc. ist zwar immer noch angespannt, aber wie es sich für gute Kapitalismusopfer gehört, Anlass für vorsichtigen Optimismus, das heißt in dem Fall für die Verbesserung in der Verschlechterung, sieht aber

die Redaktion.