Am meisten Blödsinn haben sich Bilder in einem Museum anzuhören. Sagt man. Oder Leute, die Konzertbesprechungen lesen. Sag ich. Als aussterbendes Genre der Musikkritik vom Print zum KI-Erlebnisaufsatz-Gedudel im Netz degradiert. Rezension im Nischendasein.
Wie alle DJs sind, sind alle BloggerInnen – und Livemusik wird abgeknipst, gefilmt, gehypt. Subjektivität im Mittelpunkt, nur jetzt noch viel narzisstischer. Auch schon egal, ob KI oder nicht. Kann nur schlechter werden, der folgende Text schämt sich bereits dafür. Gedanken-Polaroids, Out Of Focus.

Electro Guzzi (Foto: Klaus Pichler)
Wie oft hab ich die »Guzzis« schon gesehen? Zur Präsentation ihres 11. Albums »Liquid Center« wahrscheinlich ebenso oft, mindestens. Immer wieder ein leckeres Guzzi! Alte, neue Gesichter durften (wieder einmal) im Sardinendosen-gepackten STWST-Saal der Auflösung von Musik und Raum – Zeit sowieso! – ihr Kopfnicken/Popo-Wackeln schenken. Heimspiel-Vibes, mit einer ganz ausnahmsweisen Zugabe, wie sie vor dieser extra betonen. Immer etwas Besonderes, die Homebase zu bespielen, nach Sonar, Berghain oder Japan.
Es brummt, zirpt, wirbelt. Klar & Deep. Warm & Präzise. Kollektiv & Akustisch. Das Mot(t)o ist Guzzi(s). Elektro als kühle Techno-Abstraktion. Minimaler Dub-House. Freeflowing Sound-Teppich, zusammengeflickt vom Krautrock-mäßigen Puls, der oft wie ein Drumcomputer tönt. Kontinuität via Unterbetonung.
Verfeinert über die Jahre ist ihre »Formel« (zur Sound-Gestaltung) offener denn je: Ganz klar ist man jetzt (noch mehr) im Dubbigen gefestigt. Dub ist die Klammer des ganzen Auftritts, egal welche Genres auch angesteuert werden. Dub hält die Chose zusammen. Dub – als Rhythmus, Gefühl und Spontaneität – voll in sync. Der Bass legt das Fundament und zusammen mit den Drums/Percussion schaukeln sich polyrhythmische Grooves auf – bis die »Maschine« perfekt geölt läuft. Und wenn dann kein Blatt mehr zwischen die Rhythmus-Combo passt und die Gitarre als Synth (durch zig FX-Boxen gejagt) praktisch alles Melodiöse übernimmt und mit Loops in eine verhallte Echokammer plumpst, dann ist eben Raum gleich Zeit. Und Kinnläden beginnen zu rotieren. Der Loop wird zum Sample, nach dem sich die Bass/Drum-Einheit richtet. Soli sind die Effekt-Ketten und die Ereignisse, die sich dann herausschälen.
Elektronik wird wie Jazz gehandhabt – oder »Intuitive Tanzmusik«, so die Selbstbeschreibung. Die drei Elektro Guzzi-Feinmechaniker sind eine Einheit und das läuft ja schon selbstredend seit ihrem Bestehen seit beachtlichen 21 Jahren auf blindes Verständnis untereinander hinaus. Und natürlich sind sie auch deswegen so gut.
Bei längeren Dub-Stücken – wie in »Solar«, mein Favorit vom neuen Album – hätte das noch gut eine Stunde so weiter gehen können. Bis man merkt, ja eh, nona, das ist eine Band (und kein DJ), die sich selber fordern muss und zeigt, dass man nicht nur das eine kann. Und eine Setlist hat, sowieso. Eigentlich funktioniert das dann letztendlich doch irgendwie als eklektisches DJ-Set – von da nach dort, ganz nach meinem Geschmack.
Das funktioniert mit ECM-Ambient-Jazzähnlichen Anklängen, Basic Channel/Rhythm & Sound-Reminiszenzen (= Neo-Dub-Meister) oder bluesigen, jazzigen UR-(Underground Resistance)-Electro-Orgelrockern. Von einem zum anderen, fordernd und doch zugleich leicht zugänglich und tanzbar. Aufkommende Kritik, das sei ja Elektronik für Gitarrenmusik-menschen, damit die auch mal Elektronik hören, knickt spätestens nach dem ersten Song energetisch in sich zusammen. Ihre Dynamik lebt von Interaktion und dem Agieren und Reagieren aufeinander. Durch Zuhören und Vertrauen entsteht ihr Jazz-Dub-Detroit-Techno-Flow. Rau und hart (irgendwie), aber mit Soul.
Ihr neues Studio-Doppelalbum »Liquid Center« (Palazzo Recordings) ist (wahrscheinlich) komprimierter, abgespeckter als seine Vorgänger. Nicht wie sonst üblich in der elektronischen Musik, bestimmen bei ihnen Alben und nicht 12“es den bisherigen Output. Verhältnis 11:6.
Der Sound wirkt zurückgenommener, subtiler – und entfaltet dabei eine umso stärkere Präsenz. Ein in sich stimmiges Album, das eigentlich wie ein Soundtrack funktioniert. Also nebenbei oder voll bewusst Zuhause anzuhören – oder im Club als Fischfutter für Anything-Goes-DJs mit Geschmack (gibt’s die überhaupt noch?). Über ein Jahr hinweg arbeitete Elektro Guzzi an einer Aufnahmetechnik, die ihre Live-Energie in ein Klangbild überträgt, das auf Details im Sound setzt. Sie wollten keine »Clubenergie« in den Tracks haben: »Die Abstimmung zwischen den Instrumenten im Raum stimmt – dadurch spielen wir mehr aus einem Guss«, beschreibt das die Band. Dub schafft das Fundament. Dub als Roots der elektronischen Musik. »Lithosphere«, ein weiterer dubbiger Höhepunkt oder das Detroit-Technoide »Slipstream« glänzen, gelegentlich gibt es auch fast »Stadion-Rave«-ähnliche Phasen, die trotzdem boomen.
Wie heißt‘s so schön bei Carl Craigs Innerzone Orchestra: »From the minds of the universe comes a new future, a future that brings the spirits together, inspiring beats from beyond, melodies from above … a new level, a level that the fake ones can‘t touch.«