Der letzte linke Kleingärtner, Teil 20: Stahl gegen Rehe

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Kaum Silvester gefeiert, grüßt schon wieder das Jahresende um die Ecke. Damit ist es Zeit, als letzter linker Kleingärtner die diesjährige Schlacht ums Gemüse Revue passieren zu lassen. Was ging ab im Garten? Ja, ja, die Zucchini wuchsen mal wieder im sprichwörtlichen »S…galopp«. Einige Schlauköpfe sind mächtig stolz darauf, wenn sie einem via Facebook zwei, drei, vier Kilo große Früchte zeigen können. Das zeugt aber nur von Dummheit, denn große Zucchini schmecken schlecht, sofern sie überhaupt noch Geschmack haben. Zucchini erntet man möglichst klein, sobald sie 15 bis 20 Zentimeter lang sind. All die Kleingärtner, die sich mit großen Zucchini präsentieren, ruinieren den Ruf unserer Branche. Hier stimmt es tatsächlich: »Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln.«

Manchmal ist der menschliche wie kleingärtnerische Drang nach dicken Gartenfrüchten leider Ausdruck von Dummheit. Gut, zugegeben, manchmal passierte es auch mir aus Unachtsamkeit und die Zucchini wurden riesig. Dann stelle ich mich aber nicht mit der Frucht hin, glotze grinsend in die Kamera und mache ein Selfie oder Reel für Social-Media. Andererseits ist die Maßeinheit »dick« im Garten eigentlich schön und erstrebenswert. Im Mittelalter galt dies sogar für uns Zweibeiner.
Und wer freut sich nicht über dicke Früchte, dicke Erdbeeren, dicke Johannisbeeren, dicke Zwiebeln, dicke Möhren und eben auch dicke Kartoffeln?

Bei Busch- und Stangenbohnen verhält es sich ähnlich wie bei den Zucchini. Denn wenn ich dick ernte, dann habe ich schlichtweg zu spät geerntet. Das Prinzip ist denkbar einfach: Wenn ich die Bohnen früh ernte, profitiere ich als Kleingärtner doppelt: Zum einen schmecken sie besser und zum anderen wird die Pflanze angespornt, viele Schoten zu produzieren. So habe ich mehr Ertrag. Denn die Pflanze produziert ihren Samen – in dem Fall eben Bohnen – um sich zu reproduzieren. Als nerviger Kleingärtner dränge ich mich lediglich in den Zyklus von Wachstum und Reproduktion hinein, stehle mir von den Pflanzen das, was mir zusteht und bin dann wieder weg.

Während sich die Gesellschaft außerhalb meines gärtnerischen Horizonts wieder ordentlich zofft über den Umgang mit den Fremden, also denen, die anders sind, was dann wahlweise Nachbarn, Kunden, Mitmenschen, Verbraucher oder andere Geflüchtete sein können, werde auch ich misstrauischer gegenüber Fremden. Außerhalb meines Kosmos wappnet man sich mit allerhand juristischem Zeugs gegen die Fremden und betreibt das Spiel mit den armen fragilen Grenzen, die geschützt werden müssen, immer hektischer und vor allem martialischer. Nur mir hilft mal wieder keiner, wenn die vierbeinigen Fremden kommen und alles kahlfressen.

Denn zuletzt hatte ich wieder ungebetenen Besuch – also Rehe in meinem Gemüsegarten – aber ich hatte keinen Schengener Vertrag, um mich zu schützen. Ohne Erlaubnis und ohne anzuklopfen, schlichen sie sich frühmorgens in der Dämmerung in den Garten und fraßen ratzfatz die Blätter meiner Roten Beete und meines Grünkohls ziemlich kahl. Fehlen der Roten Beete aber die Blätter, dann wird das nichts mit dem Wachstum der Knolle.

 

Reh im Garten

Im Anbaukontext unerwünscht: Capreolus capreolus (Bild: public domain)

 

Das wurde mir zu bunt und ich habe aufgerüstet. Wenn Grenzanlagen aus Stahl gegen zweibeinige Fremde helfen, dann muss das auch im Garten gegen Vierbeiner möglich sein. Gesagt, getan: ich zäumte meine Rote Beete und meinen Grünkohl mit Stahlgittern ein. Es wäre doch gelacht, wenn ich mir von süßen Rehböcken auf dem Kopf herumtanzen lasse. Stahl hilft. Außerdem bin ich ein deutscher linker Kleingärtner. Und Stahl und Deutschland passen nun mal zusammen. So oder so. Nachdem die Zäune hochgezogen waren, hatte ich einigermaßen Ruhe vor dem Vieh. Ich hätte übrigens bei der Rehplage noch eine sinnstiftende Anwendung für Stahl im Angebot: Schießen. Ja, richtig, die Freunde der Jagd, also die Jäger, sollen mehr Rehwild schießen. Das ist allerdings in befriedeten Bezirken, wie es Wohngebiete nun mal sind, aus gutem Grund nicht erlaubt, aber außerhalb schon. Gleichzeitig vergießen Ökos gerne das ein oder andere Tränlein ob des armen Rehs, das von Jägern zu Manitu in die ewigen Jagdgründe befördert wird. Denn die netten Ökos sind halt nicht die, die mühsam Rote Beete und Grünkohl kultivieren und die Früchte dann kampflos den Rehen schenken. Manchmal hat eine Aufrüstungsspirale ihr Gutes. My home is my castle.

 

Drei Praxistipps:

1. Trau dich und benutze als Kleingärtner deinen Verstand. Dicke Zucchini sehen zwar schön aus, taugen aber eher nur für die Tonne.

2. Grenzanlagen aus Stahl können im Garten gegen Rehe helfen.

3. Halte dich gut mit den Jägern in deinem Homeland. Das hilft dir, manche Plagegeister aus dem Garten zu vertreiben. Und zwar nachhaltig. Denn Nachhaltigkeit ist wichtig.

 

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Roland Röder ist Geschäftsführer der Aktion 3.Welt Saar e.V. (www.a3wsaar.de), einer allgemeinpolitischen NGO in Deutschland, die bundesweit arbeitet, u.a. zu Landwirtschaft, Asyl, Migration, Islamismus, Antisemitismus, Fairer Handel. Er mag den Begriff „Hobby“ nicht und lebt einen Teil seines Lebens als aktiver Fußballfan. Die Gartenkolumne erscheint auch in der Luxemburger Wochenzeitung WOXX .